Urteil BVerwG 11.11.2021
Warum das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts so wichtig für Grundstückseigentümer ist
Immer wieder werden Anträge von Tierfreunden zur jagdrechtlichen Befriedung ihrer Grundstücke abgewiesen, weil die ethischen Gründe angeblich nicht ausreichend seien. Muss ein Grundstückseigentümer zwingend Vegetarier oder Veganer sein, um das Töten von wild lebenden Tieren auf seinem eigenen Grundstück aus ethischen Gründen abzulehnen? Ist die Tatsache, dass ein Grundstückseigentümer eine Wiese an einen Bauern verpachtet hat, der darauf Rinder hält, die später geschlachtet werden, ein Grund für die Ablehnung einer Befriedung aus ethischen Gründen?
Das Bundesverwaltungsgericht Leipzig hat seinem Urteil vom 11.11.2021 richtungsweisende Leitsätze zur jagdrechtlichen Befriedung von Grundflächen aus ethischen Gründen vorangestellt (BVerwG 3C 16.20 und BVerwG 3C 17.20): |
Die Richter des Bundesverwaltungsgerichts stellten in ihrer Urteilsbegründung klar: Ethische Gründe für die Ablehnung der Jagdausübung müssen nicht den Anforderungen an eine Gewissensentscheidung im Sinne der Rechtsprechung zur Kriegsdienstverweigerung entsprechen.
Wie kann also ein Grundstückseigentümer die Ablehnung der Jagd aus ethischen Gründen glaubhaft machen?
Dazu heißt es in der Urteilsbegründung des Bundesverwaltungsgerichts: »Grundsätzliche Erwägungen in diesem Sinne können insbesondere an die ethische Fundierung des Tierschutzes anknüpfen, die auch dem Tierschutzgesetz zugrunde liegt (...). Zweck des Tierschutzgesetzes ist es, aus der Verantwortung des Menschen für das Tier als Mitgeschöpf dessen Leben und Wohlbefinden zu schützen; niemand darf einem Tier ohne vernünftigen Grund Schmerzen, Leiden oder Schäden zufügen (§ 1 TierSchG). Wenn ein Grundeigentümer aus dieser Verantwortung des Menschen für das Tier als Mitgeschöpf für sich persönlich das Verbot ableitet, wildlebende Tiere zu jagen und hieran durch Duldung der Jagd auf den eigenen Grundstücken mitzuwirken, ist dies - unter den genannten weiteren Voraussetzungen - ein ethischer Grund für die Ablehnung der Jagdausübung.«
Weiter heißt es: »Ausgehend hiervon kann ein Grundeigentümer glaubhaft machen, dass er die Jagdausübung aus ethischen Gründen ablehnt, indem er nachvollziehbar schildert, wie und aufgrund welcher grundsätzlichen Erwägungen er die feste Überzeugung gewonnen hat, dass es nicht richtig ist, die Jagd auszuüben, und warum diese Überzeugung für ihn eine gewisse Wichtigkeit hat. Objektive Umstände, die die vorgetragenen Gründe nachvollziehbar machen, können z. B. eigene Erlebnisse mit der Jagd oder mit Tieren oder die Mitgliedschaft und Betätigung in Vereinen sein, die sich dem Tierschutz widmen.«
Dass sich die Grundstückseigentümer auch von Fleisch ernähren, müsse nicht in Widerspruch zu einer Ablehnung der Jagd aus ethischer Gründen stehen: »Die Ablehnung der Jagd kann nicht der Ablehnung des Schlachtens von Tieren zum Verzehr durch den Menschen gleichgestellt werden (... ). Wegen der unterschiedlichen Bedingungen, unter denen die Tiere getötet werden, und des unterschiedlichen Leides, das mit diesen Bedingungen verbunden ist, kann ein Grundeigentümer widerspruchsfrei das betäubungslose Töten wildlebender Tiere im Wege der Jagd ablehnen und das Schlachten von Nutztieren für ethisch vertretbar halten.«
BVerwG 3 C 16.20 www.bverwg.de/de/111121U3C16.20.0
BVerwG 3C 17.20 www.bverwg.de/de/111121U3C17.20.0