Nordrhein-Westfalen: Keine Jagd auf Lebenshof!

Tierschützer sind entsetzt über die Jagd auf ihrem Grundstück in Rietberg (Kreis Gütersloh): Ohne es zu wissen, sind die Eigentümer des Lebenshofes Varensell durch den Kauf des Grundstücks zwangsweise Mitglied in der Jagdgenossenschaft, welche die Jagd an Jäger verpachtet, die dann auf den Flächen des Lebenshofes Tiere schießen. Dies wollen die Tierschützer nicht hinnehmen: Sie wollen Tiere schützen und mit ansehen müssen, wie sie auf ihrem Grundstück getötet werden.

Der Lebenshofes Varensell mit einem insgesamt etwa 1,3 Hektar großen Grundstück, auf dem derzeit rund 45 Tiere, darunter Pferde, Esel, Hunde, Katzen und Hühner leben. 2017 stellten die Eigentümer, das Ehepaar Reinke, einen Antrag auf jagdrechtliche Befriedung ihrer Flächen. Das Verfahren wurde mit dem Hinweis eingestellt, dass die Bejagung mit Ablauf des Pachtvertrags im Jahr 2024 abläuft. Astrid Reinke kritisiert den psychischen Druck, den die Behörden auszuüben versuchten: durch Befragungen in der Nachbarschaft und mit der Ankündigung hoher Kosten für das Verfahren.

Zum Glück für das Ehepaar Reinke und für die Tiere auf dem Lebenshof konnte mit den örtlichen Jägern eine Einigung erzielt werden: Die Jäger verzichten auf die Bejagung der Flächen - schließlich würden auf dem Gelände des Lebenshofs auch Pferde umherlaufen.

Im September 2020 hat der Dortmunder Rechtsanwalt und Präsident des Landestierschutzverbandes NRW, Peer Fiesel, auf dem Lebenshofs Varensell zum Thema "Jagd und Befriedung von Grundstücken" gehalten. Wer ein Grundstück außerhalb geschlossener Ortschaften besitzt oder erwirbt, ist damit automatisch Mitglied in der Jagdgenossenschaft. Die Jagdgenossenschaft verpachtet die Jagd über mehrere Jahre an Jäger, die dann auf diesen Flächen Wildtiere schießen dürfen. "Der Grundstückseigentümer muss über eine solche Zwangsmitgliedschaft nicht unterrichtet werden", erklärte Rechtsanwalt Peer Fiesel. Demnach komme es immer wieder vor, dass Eigentümer von einer Zwangsmitgliedschaft überrascht sind, ebenso von der Verpachtung ihres Grundstücks an eine Jagdgenossenschaft.

Zwangsmitglied in der Jagdgenossenschaft

Seit einem Urteil des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte vom 26.6.2012 müssen Grundstückseigentümer dies aber nicht mehr in jedem Fall hinnehmen: Das höchste europäische Gericht hatte im falle eines Klägers aus Deutschland entschieden, dass die Zwangsmitgliedschaft in einer Jagdgenossenschaft gegen die Menschenrechte verstößt, sofern der Grundeigentümer die Jagd aus ethischen Gründen ablehnt. Es ist nicht mit dem in der Menschenrechtskonvention garantierten Schutz des Eigentums zu vereinbaren, wenn Grundstückseigentümer zwangsweise Mitglied in einer Jagdgenossenschaft sind und damit die Jagd auf ihrem Grund und Boden gegen ihren Willen dulden müssen.

Grundstückseigentümer können bei der zuständigen Unteren Jagdbehörde einen Antrag auf jagdrechtliche Befriedung ihres Grundstückes stellen und sich auf eine Ablehnung der Jagd aus ethischen Gründen bzw. aus Gewissensgründen zu berufen. Die bloße Ablehnung einer Jagd, Lärmbelästigung oder Ärger über den Jagdpächter reicht dabei nicht aus.

"Die juristischen Gegner sind die Kommunen, nicht die Jäger", so Rechtsanwalt Fiesel, der zahlreiche Grundstückseigentümer bei ihren Anträgen bzw. Klagen auf jagdrechtliche Befriedung vertritt. Der Jurist hat die Erfahrung gemacht, dass ein ausreichendes Fachwissen über das Recht auf Befriedung in den meisten Kommunen kaum vorhanden ist.

Leider hat der Gesetzgeber das Antragsverfahren sehr aufwändig gestaltet - mit dem Ziel, Grundstücksbesitzer abzuschrecken. Hinzu kommt, dass das neue Gesetz mit einigen Hürden und Fußangeln versehen wurde. Einige Jagdbehörden kündigen Grundstückseigentümern recht hohe Kosten für ihren Antrag auf jagdrechtliche Befriedung ihrer Flächen an. In etlichen Fällen haben die Behörden dann aber doch nur einige Hundert Euro in ihren Gebührenbescheiden verlangt.

Daher sollten Grundstückseigentümer sich vor ihrem Antrag auf jagdrechtliche Befriedung gründlich informieren und am besten einen erfahrenen Rechtsanwalt beauftragen, der das geltende Recht entsprechend bei den Behörden einfordern kann.