Niedersachsen: Ulmenhof seit 2015 jagdfrei!

Erfolg vor dem Oberverwaltungsgericht:

Alle Flächen des Ulmenhofs dürfen jagdfrei bleiben

Bereits seit 2015 sind etwa 5 Hektar Fläche des Ulmenhofs - ein Tierheim mit Gnadenhof - im Landkreis Aurich (Ostfriesland) offiziell jagdfrei. 2017 hat der Landkreis Aurich zwei weitere Grundstücke, die der Ulmenhof erworben hat, jagdrechtlich befriedet. Doch der betroffene Jagdpächter verklagte den Landkreis auf Rücknahme der Befriedung der beiden Grundstücke. Das Verwaltungsgericht Oldenburg hat in seinem Urteil vom 22.10.2018 die Klage des Jagdpächters abgewiesen. Daraufhin zog der Jagdpächter vor das Niedersächsische Oberverwaltungsgericht. Zum Glück für den Ulmenhof und vor allem zum Glück für die Tiere hatte er auch damit keinen Erfolg: Im August 2019 hat das niedersächsische Oberverwaltungsgerichts den Antrag des Jagdpächters auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Oldenburg abgelehnt. Der Ulmenhof bleibt auf allen Flächen jagdfrei!

Auf dem Ulmenhof, einem ehemaligen Bauernhof in Uttum, in der Krummhörn (zwischen Emden und Greetsiel) hat das Ehepaar Huber in Eigeninitiative und Eigenarbeit ein kleines Tierheim mit Gnadenhof aufgebaut. Gnadenbrot-Tiere wie Pferde, Ziegen, Mini-Schweine, Gänse und Fundtiere, wie zahlreiche Katzen, dürfen hier ihren Lebensabend verbringen.

Als der Jagdpächter vor einigen Jahren einen Hochsitz in Sichtweite aufgestellt und das Grundstück mit Jagdfreunden betreten hatte, fürchtete das Ehepaar Huber um seine Tiere.

Seit 2015 sind etwa 5 Hektar Fläche des Ulmenhofs,

Seit 2015 sind etwa 5 Hektar Fläche des Ulmenhofs,

einem Tierheim mit Gnadenhof, offiziell jagdfrei.

Seit 2015 sind 5 Hektar Grundstück jagdfrei

Darum stellten die Grundstückseigentümer im Sommer 2013 für ihre etwa 5 Hektar Fläche einen Antrag auf jagdrechtliche Befriedung aus ethischen Gründen. Sie beriefen sich auf das Urteil des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte vom 26.6.2012, in dem festgestellt wurde: Es ist nicht mit dem in der Europäischen Menschenrechtskonvention garantierten Schutz des Eigentums zu vereinbaren, wenn Grundstückseigentümer, welche die Jagd aus ethischen Gründen ablehnen, die Jagd auf ihrem Grund und Boden gegen ihren Willen dulden müssen.

Am 28.7.2014 gab die Untere Jagdbehörde des Landkreises Aurich dem Befriedungsantrag statt: Mit Beginn des neuen Jagdjahres am 1.4.2015 wurden die Grundstücksflächen des Ulmenhofs offiziell jagdfrei.

Von Jägerseite wurde darauf beharrt,

Von Jägerseite wurde darauf beharrt,

diesen schmalen Streifen von etwa drei Metern Breite entlang des Ulmenhofs zu bejagen - und dies nur etwa eineinhalb Meter neben dem Parkplatz für die Tierheim-Besucher.

Jagdpächter will in unmittelbarer Nähe des Gnadenhofs weiter die Jagd ausüben

Nun beharrte der Jagdpächter darauf, einen Heckenstreifen von etwa drei (!) Metern Breite in unmittelbarer Nähe des Hofs nur eineinhalb Meter neben dem Parkplatz für die Tierheim-Besucher - zu bejagen. Er schaltete sogar die Jagdbehörde ein, um den Bewohnern des Hofes mitzuteilen, dass die Jagd dort keinesfalls be- oder verhindert werden darf. Die Behinderung des Jagdausübungsrechts wird als Ordnungswidrigkeit geahndet.

Das Ehepaar Huber, die Betreiber der Ulmenhofs, waren dadurch extrem beunruhigt: Jagdausübung direkt neben dem Parkplatz? Wo nicht nur Erwachsene, sondern auch Kinder unterwegs sind, die Fundtiere bringen oder abholen?

Das schmale Grundstück mit der Hecke

Das schmale Grundstück mit der Hecke

läuft wie ein V auf ein Vogelschutz-Gehölz zu, in dem auch Rehe Schutz suchen. Die Betreiber des Ulmenhofs konnten beide Grundstücke von der Gemeinde erwerben und stellten den Antrag auf jagdrechtliche Befriedung. Ab 2017 sind beide Grundstücke vom Landkreis Aurich jagdfrei gestellt.

2017: Der Landkreis Aurich befriedet zwei neue Grundstücke des Ulmenhofs

Nach intensiven Gesprächen mit den Behörden kristallisierte sich als einzige Möglichkeit der Kauf der betroffenen Flurstücke heraus, die im Eigentum der Gemeinde standen. Die Hubers traten also in Kaufverhandlungen mit der Gemeinde und konnten - zu ihrer größten Freude - die zwei Grundstücke in unmittelbarer Nähe des Anwesens erwerben. Das eine Grundstück ist die etwa drei Meter breite Hecke entlang des Ulmenhofs, das andere Grundstück ist ein daran angrenzendes Vogelschutz-Gehölz, in dem nicht nur Vögel Schutz finden, sondern das auch zahlreichen weiteren wildlebenden Tieren wie Rehen einen Rückzugsort bietet.

Nach dem Erwerb der beiden Grundstücke stellte das Ehepaar Huber den Antrag auf jagdrechtliche Befriedung. Der Landkreis Aurich hat die beiden Grundstücke, die der Ulmenhof von der Gemeinde erworben hat, mit dem Beginn des neuen Jagdjahres 2017/18 jagdrechtlich befriedet.

Jagdpächter verklagt den Landkreis

Doch der betroffene Jagdpächter verklagte den Landkreis: Der Landkreis Aurich sollte den Befriedungsbescheid für die beiden Grundstücke aufheben oder zumindest den Bescheid so abändern, dass die jagdrechtliche Befriedung erst zum Ende des Jagdpachtvertrags am 31. März 2022 in Kraft tritt. In seiner Klage zweifelte der Jäger die ethischen Gründe der Hubers an. Insbesondere hob der Jäger hervor, dass durch die Befriedung eine vernünftige Revierpflege nicht mehr möglich sei, da das "Raubzeug", dass sich gerade auf den betroffenen Flächen aufhalte, nicht mehr bejagt werden könne. Außerdem sei der Verkauf der Grundflächen durch die Gemeinde nur zu dem Zweck erfolgt, dem neuen Grundstückseigentümer einen Befriedungsantrag zu ermöglichen. Dies sei nicht rechtens.

Urteil des Verwaltungsgerichts: Ethische Gründe des Grundstückseigentümers wiegen schwerer als die Interessen des Jagdpächters

Am 17.10.2018 fand die mündliche Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht Oldenburg statt. Thomas Huber war als Betroffener beigeladen und führte seine ethischen Gründe gegen die Jagd auf seinen Grundstücken, auf dem er mit seiner Ehefrau ein Tierheim mit Gnadenhof aufgebaut hat, erneut mündlich aus.

Am 22.102018 fällte das Verwaltungsgericht sein Urteil: Die Klage des Jägers wurde abgewiesen. Der Ulmenhof bleibt auf allen Flächen jagdfrei! (Urteil des Verwaltungsgerichts Oldenburg vom 22.10.2018, Az. 11 A 100/17)

Das neunseitige Gerichtsurteil ist wirklich lesenswert, da es explizit auf die ethischen Gründe eingeht: Der Grundstückseigentümer habe glaubhaft gemacht, dass er die Jagdausübung aus ethischen Gründen ablehne. Wörtlich heißt es in dem Urteil: "Der Beigeladene betreibt auf den für befriedet erklärten Flächen ein Tierheim bzw. einen Tiergnadenhof. Nach seinen glaubhaften Angaben im Verwaltungsverfahren ist er seit mehr als 30 Jahren aktiv im Tierschutz tätig und hat gemeinsam mit seiner Ehefrau unter hohem Einsatz das Tierheim und den Gnadenhof errichtet. Mit seinem Einsatz für die Tiere kämpfe er tagtäglich um deren Leben. Demgemäß könne er es nicht mit seinem Gewissen vereinbaren, wenn zugleich auf seinem Grundstück Tiere erschossen würden. Diese Angaben hat der Beigeladene auch in der mündlichen Verhandlung glaubhaft bestätigt." Der Befriedung der Grundfläche stünden keine Versagungsgründe im Sinne des 6a Abs. 1 Satz 2 BJagdG entgegen.

Auch der Antrag des Jägers, die Befriedung erst zum Ende des Pachtvertrages 2022 auszusprechen, wurde abgewiesen. Dem Grundstückseigentümer sei es, so das Verwaltungsgericht, unter Abwägung mit den schutzwürdigen Belangen der Jagdgenossenschaft nicht zuzumuten, die Befriedung bis zum Ablauf des laufenden Jagdpachtvertrags abzuwarten. Einerseits handle es sich um relativ kleine Flächen, die unmittelbar an bereits bestandskräftig befriedete Flächen angrenzten, die Jagdausübung werde nicht nennenswert beeinträchtigt. "Auf der anderen Seite war gewichtig zu berücksichtigen, dass der Beigeladene in unmittelbarer Nähe zu den fraglichen Flächen ein Tierheim/Tiergnadenhof betreibt, wodurch sich ein erhebliches Interesse an der Nichtausübung der Jagd in diesem Bereich ergibt", heißt es in dem Urteil wortwörtlich weiter.

Jagdpächter zieht bis vors Oberverwaltungsgericht

Nach der Abweisung seiner Beschwerde vom Verwaltungsgericht Oldenburg legte der Jagdpächter Revision beim Niedersächsischen Oberverwaltungsgericht ein. Er erwartete ein Grundsatzurteil für die deutsche Jägerschaft: Der Verkauf der Grundflächen durch die Gemeinde sei nur zu dem Zweck erfolgt, dem neuen Grundstückseigentümer einen Befriedungsantrag zu ermöglichen. Es sei rechtsmissbräuchlich, wenn Tierschützer ein Grundstück erwerben einzig mit dem Ziel, es jagdrechtlich befrieden zu lassen.

Beschluss des Oberverwaltungsgerichts: Der Ulmenhof bleibt auf allen Flächen jagdfrei!

Am 14.8.2019 ging dem Ehepaar Huber der Beschluss des Niedersächsischen Oberverwaltungsgerichts bezüglich der beantragten Revision gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Oldenburg zu. "Den Beschluss zu lesen ist eine wahre Freude - ein wirklicher Erfolg für uns", so Thomas Huber.

Das Oberverwaltungsgericht hat den Antrag des Jagdpächters auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Oldenburg vom 17.10.2019 abgelehnt. Grundstückseigentümer Thomas Huber habe als Beigeladener in der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht glaubhaft gemacht, dass er die Jagdausübung aus ethischen Gründen im Sinne von § 6a Absatz 1 Satz 1 BJagdG ablehne. Die vom Jagdpächter gegen dieses Urteil erhobenen Einwände seien nicht geeignet, ernstliche Zweifel an deren Richtigkeit zu begründen, so das Niedersächsische Oberverwaltungsgericht in seinem Beschluss. "Das Verwaltungsgericht hat das Vorliegen ethischer Gründe i. S. d. 6a Absatz 1 Satz 1 BJagdG plausibel und nachvollziehbar nach persönlicher Anhörung des Beigeladenen in der mündlichen Verhandlung im Hinblick auf dessen jahrzehntelanges Engagement im Tierschutz und das Betreiben eines Gnadenhofs, der gerade dem Zweck dient, Tiere vor der Tötung zu bewahren, begründet." (Niedersächsisches Oberverwaltungsgericht, Beschluss 10 LA 390/18 vom 16.7.2019)

Der Erwerb von Flächen zum Zwecke der jagdrechtlichen Befriedung ist rechtens!

Thomas Huber weist besonders noch auf ein weiteres wichtiges Ergebnis hin: "Was ich als extrem wichtig erachte für alle deutschen Jagdgegner bzw. Menschen, die einen Befriedungsantrag stellen möchten gilt, ist Folgendes: Das von der Gegenseite erwartete Grundsatzurteil für die gesamte deutsche Jägerschaft ist vom Tisch. Im Gegenteil: Es ist rechtens, ein Grundstück zu dem Zweck zu erwerben, es jagdrechtlich befrieden zu lassen. Dies ist laut Oberverwaltungsgericht ausdrücklich kein Rechtsmissbrauch."

Wörtlich heißt es dazu im Beschluss des Niedersächsischen Oberverwaltungsgerichts: "Ist dagegen das Eigentum an einem Grundstück wirksam erworben worden, ist der Grundeigentümer nach 6a Absatz 1 Satz 1 BJagdG antragsbefugt. Sein Recht, die Befriedung des Grundstücks zu beantragen, besteht ... unabhängig von seinen Nutzungsabsichten bezüglich des Grundstücks." (Niedersächsisches Oberverwaltungsgericht, Beschluss 10 LA 390/18 vom 16.7.2019)

"Diesen Satz halte ich für so relevant und weitreichend, dass man ihn deutschlandweit veröffentlichen sollte", so Thomas Huber. "Stellen Sie sich einmal die Möglichkeiten vor, die sich finanziell gut gestellten Jagdgegnern hiermit eröffnen! Die Möglichkeit, Grundstücke zum Zweck der jagdrechtlichen Befriedung zu erwerben, ist in meinen Augen ein unglaublicher Erfolg."

"Wir müssen möglichst viele Grundstückseigentümer über die Befriedungsmöglichkeit aufklären"

Die Eigentümer des Ulmenhofs freuen sich natürlich über das Urteil und die Tatsache, dass alle Flächen des Gnadenhofs nun endgültig jagdfrei sind. Doch für Thomas Huber ist der Kampf gegen die Zwangsbejagung noch nicht vorbei: "Die jahrelangen Querelen brachten mich dazu, nun verstärkt gegen die Zwangsbejagung (Bejagung des eigenen Grundstücks gegen seinen Willen) von Grundstücken und die damit verbundenen Unzumutbarkeiten einzutreten", erklärt der Tierschützer. "Ich habe begonnen, bundesweite Verbindungen, die ich während meines Kampfes gegen die Zwangsbejagung knüpfen konnte, zu kontaktieren. Ziel soll eine Gesetzesänderung des Bundesjagdgesetzes sein. Die Notwendigkeit ethischer Gründe, die vor einer Jagdbehörde standzuhalten haben, um Grundstücke zu befrieden, muss wegfallen. Ich frage mich schon lange, was die Jagdbehörde, in der oft Jäger sitzen, dazu qualifiziert, über ethische Gründe eines Antragstellers zu befinden. Jemandem, der Angst um seine Kinder hat, oder Personen, die das Töten nicht mit ansehen können, sollte eine Befriedung ebenfalls möglich sein. Auch Menschen, die sich mit der Formulierung ihrer Gründe schwer tun, dürfen nicht von der Befriedungsmöglichkeit ausgeschlossen werden."

Doch bis das Bundesjagdgesetz entsprechend geändert wird und auch Tierschutzvereine, Naturschutzverbände oder Stiftungen - so genannte juristische Personen - die Möglichkeit haben, ihre Grundflächen jagdrechtlich befrieden zu lassen, dürfte noch ein langer Weg sein. Das weiß auch Thomas Huber. Darum hat sich der Tierschützer auch ganz nahe liegende Ziele gesteckt: "Anfangen sollten wir damit, möglichst viele Grundstückseigentümer über die Befriedungsmöglichkeit aufzuklären und sie darin unterstützen, einen Befriedungsantrag zu stellen." Für Fragen will Thomas Huber jederzeit zur Verfügung stehen, auch zur Einsicht in das Urteil dürfen sich Interessierte gern melden.

Mehr Informationen über den Ulmenhof:

www.ulmenhofev.de

Bericht von der Gerichtsverhandlung:
http://ulmenhofev.de/gerichtsverhandlung-vor-dem-vg-oldenburg