Bayern: Ehepaar gewinnt Klage vor dem Verwaltungsgericht
Grundstück in Siegsdorf ab 2022 jagdfrei
Brigitte und Dietbert Mönch besitzen angrenzend an ihr Wohnhaus in Siegsdorf (Landkreis Traunstein) vier Hektar Wiese und Wald. Die Tier- und Naturfreunde können es nicht mit ihrem Gewissen vereinbaren, dass Jäger auf ihrem Grundstück Tiere tot schießen. Deswegen stellten die Eheleute bereits 2014 Antrag auf jagdrechtliche Befriedung der Grundstücke. Damals ahnten sie nicht, dass es acht Jahre dauern würde, bis ihr Grundstück endlich jagdfrei wird! Zunächst spielte die Untere Jagdbehörde des Landratsamtes Traunstein auf Zeit, dann lehnte sie den Antrag der Tierfreunde ab: Die Bejagung der an das Haus angrenzenden Wiese und des Waldgrundstücks sei notwendig. Daraufhin reichten die Mönchs Klage beim Verwaltungsgericht München ein. Mit Erfolg: Das Grundstück wird zum Beginn des neuen Jagdjahres am 1.4.2022 jagdfrei! (Verwaltungsgericht München, 13.12.2021, AZ M 7 K 16.3353)
Brigitte und Dietbert Mönch können es nicht mit ihrem Gewissen vereinbaren, dass Jäger auf ihrer Wiese und dem angrenzenden Waldgrundstück Tiere tot schießen. »Sie erschießen die Tiere praktisch vor unserer Haustür«, berichtet Diplom-Ingenieur Dietbert Mönch. Am Rand des Anwesens stehen auf dem Nachbargrundstück ein Hochsitz sowie eine Futterstelle, um Tiere vor dem Hochsitz anzulocken.
Jagdbehörde lehnte Antrag auf jagdrechtliche Befriedung ab
2014 stellte das Ehepaar Mönch bei der Unteren Jagdbehörde des Landratsamtes Traunstein einen Antrag auf jagdrechtliche Befriedung seiner Grundstücke und berief sich auf das Urteil des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte vom 26.6.2012: Es ist nicht mit dem in der Europäischen Menschenrechtskonvention garantierten Schutz des Eigentums zu vereinbaren, wenn Grundstückseigentümer zwangsweise Mitglied in einer Jagdgenossenschaft sind und damit die Jagd auf ihrem Grund und Boden gegen ihren Willen dulden müssen, obwohl der Grundeigentümer die Jagd nicht mit seinem Gewissen vereinbaren kann.
Doch die Jagdbehörde lehnte den Antrag auf jagdrechtliche Befriedung ab. Einerseits wurden die ethischen Gründe des Ehepaars Mönch in Frage gestellt, andererseits wurde behauptet, eine Bejagung der an das Wohnhaus angrenzenden Wiese und des Waldgrundstücks sei notwendig.
Gericht erkennt ethische Motivation der Grundstückseigentümer an
Daraufhin klagten die Grundstückseigentümer vor dem Verwaltungsgericht München. Bei der Anhörung am 25.6.2019 erklärte Dietbert Mönch, er und seine Frau seien aus ethischer Überzeugung grundsätzlich gegen das Töten von Wildtieren, insbesondere auf dem eigenen Grundstück. Beide engagieren sich seit Jahrzehnten im Tierschutz und nehmen Tiere aus Tierheimen oder Tierschutzeinrichtungen bei sich auf. Auf dem eigenen Grundstück miterleben zu müssen, wie Jäger auf Tiere schießen, können die Tierfreunde nicht mit ihrem Gewissen vereinbaren. »Das Gericht hat unsere ethischen Gründe anerkannt«, sagt Dietbert Mönch.
»Die Jäger behaupten, unser Grundstück müsse bejagt werden, weil es zu viel Verbiss durch Rehe gebe. Dabei fördert doch gerade die Jagd den Verbiss, weil sie die Tiere in den Wald drück« , so Dietbert Mönch. »Wir können beobachten, wie die Rehe oft stundenlang auf unserer Wiese stehen und Gräser essen. Ohne Jagd würde es viel weniger Verbiss geben!«
Dass die Untere Jagdbehörde aus solchen Gründen eine jagdrechtliche Befriedung des Grundstücks ablehnt, ist mit dem Urteil des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte nicht vereinbar. Vor dem höchsten europäischen Gericht hatten die Deutsche Bundesregierung, der Deutsche Jagdverband und weitere Verbände sämtliche erdenklichen Allgemeinbelange (Pflicht zur Hege, die Erhaltung eines artenreichen gesunden Wildbestandes, die Verhütung von durch Wildtiere verursachten Schäden, ...) - wie sie auch im Fall der Mönchs von Jägerseite angeführt wurden - vorgetragen. Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte hatte diese Belange allesamt gewürdigt und ist dennoch zu dem eindeutigen Ergebnis gekommen, dass die Verpflichtung, die Jagd auf ihren Grundstücken zu dulden, für die Eigentümer, welche die Jagd aus ethischen Gründen ablehnen, eine unverhältnismäßige Belastung darstellt und Artikel 1 des Protokolls Nr. 1 der Menschenrechtskonvention (Schutz des Eigentums) verletzt.
Verwaltungsgericht bestätigt Eigentumsrecht: Grundstück ab 1.4.2022 jagdfrei!
Ende 2021 kam die erlösende Nachricht: Mit dem Urteil des Verwaltungsgerichts München vom 13.12.2021 wird das Landratsamt verpflichtet, die Grundstücke mit Ablauf des Jagdjahres am 31.03.2022 zu jagdrechtlich befriedeten Bezirken zu erklären. (VG München, 13.12.2021, AZ M 7 K 16.3353)
»Das muss man sich mal vorstellen, das zog sich jetzt über acht Jahre hin«, sagt Dietbert Mönch. »Die Behörden scheinen das Jagdverbot auf privaten Grundstücken verhindern zu wollen. Das fing bei uns damit an, dass sie einfach nicht reagiert haben. Dann haben sie geschrieben, unsere ethische Begründung reiche nicht. Sie haben uns die Akteneinsicht verweigert... Sie haben behauptet, sie könnten ihre Abschussquoten nur dann erfüllen, wenn sie auf unserem Grundstück jagen... Bei der Schlussverhandlung kamen sie noch mit einem Gutachten, dass der Verbiss angeblich so extrem wäre. Das hab ich dann mal schnell durchgeblättert: Da stand drin, dass der Verbiss in unserem Gebiet gar nicht zu hoch, sondern tragbar und in der Tendenz sogar verbessert ist!«
Umso größer ist nun die Erleichterung: »Wir sind da jetzt durch. Unsere ethische Motivation hat das Gericht schon beim ersten Termin 2019 akzeptiert. Und jetzt ist das Eigentumsrecht noch mal bestätigt worden!«
Gericht: »Ethische Jagdgegnerschaft verdient grundsätzlich Respekt in einer demokratischen Gesellschaft«
Ein vorausgegangenes Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 28.05.2020 (AZ 19 B 19.1710) hatte deutlich gemacht: Jäger handeln lediglich aufgrund einer rechtfertigungsbedürftigen staatlichen Ermächtigung. »Es spricht viel dafür, dass seit einiger Zeit dieser Freiraum als solcher den Allgemeininteressen widerspricht«, so der Verwaltungsgerichtshof. »Der rein utilitaristische Umgang mit wilden Tieren, insbesondere die Jagd zum Vergnügen, ist überholt.«
Auf der anderen Seite haben Grundstückseigentümer eine geschützte Rechtsposition aus der Europäischen Menschenrechtskonvention, in die durch die Jagdausübung eingegriffen werde, wenn die Jagd aus ethischen Gründen ablehnt wird. In dem Urteil heißt es: »Eine wertebasierte Jagdgegnerschaft verdient grundsätzlich Respekt in einer demokratischen Gesellschaft.« Daher dürfe sie gegenüber der freiheitlichen Jagdausübung nicht zurückgesetzt werden.