Musterklage vor Verwaltungsgericht 2007
In der Verwaltungsstreitsache
Roland Dunkel
gegen
Freistaat Bayern
wegen Austritts aus der Jagdgenossenschaft
begründe ich meine mit Schriftsatz vom 24.8.2007 erhobene Klage mit folgenden Anträgen:
Ich beantrage,
den Beklagten unter Aufhebung des Bescheides vom 8.8.2007 (Aktenzeichen 753-302) zu verpflichten, den Kläger hinsichtlich des Grundstückes Fl.-Nr. 502/5 der Gemarkung Frankenbrunn vom Zwang der Mitgliedschaft in der Jagdgenossenschaft des gemeinschaftlichen Jagdbezirkes Frankenbrunn zu befreien sowie dem Beklagten die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen.
I. Vorüberlegung
Der Kläger, ein bundesweit anerkannter ethischer Tierschützer, begehrt die Befreiung vom Zwang der Mitgliedschaft in der Jagdgenossenschaft.
Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte hat am 29. April 1999 (EGMR Urteil vom 29. April 1999 - Gesuche 25088/94, 28331/95, 28443/95 - Chassagnou u.a. ./. Frankreich, NJW 1999, S. 3695) in einem an Frankreich gerichteten Urteil festgestellt, dass die Zwangsmitgliedschaft von Grundeigentümern in Jagdvereinigungen gegen die Europäische Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK) verstößt. Die deutschen Behörden und Gerichte, vor allem das Bundesverfassungsgericht, reden diese richtungsweisende Grundsatzentscheidung des höchsten europäischen Spruchkörpers mit fadenscheinigen Argumenten klein. Rechtlich gesehen sind diese jedoch nicht mehr länger haltbar, nachdem der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte nach 1999 in diesem Jahr erneut entschieden hat, dass es Eigentümern kleinerer Grundstücke in einer demokratischen Gesellschaft nicht zugemutet werden kann, die Jagd auf ihren Grundstücken gegen ihren Willen zu dulden (EGMR-Urteil vom 10.07.2007 – Gesuch 2113/04 - Schneider ./. Luxemburg).
Den von den Behörden und Gerichten bisher vorgebrachten Argumenten hinsichtlich der Unanwendbarkeit des französischen Falls von 1999 (EGMR-Urteil vom 29. April 1999, a.a.O.) auf das deutsche Recht wird durch das neue Urteil des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR-Urteil vom 10.07.2007, a.a.O.) der rechtliche Boden vollständig entzogen.
So wiesen die Behörden und Gerichte bisher in aller Regel auf folgende Unterschiede zwischen dem deutschen und französischen Jagdrecht hin:
- Unzureichende Ausgleichsregelungen bei Verlust des Jagdrechts in der französischen ACCA. Nach dem Verdeille-Gesetz haben die Grundeigentümer nach ihrem Beitritt zur kommunalen Jagdvereinigung lediglich das Recht, auf den gesamten Flächen der ACCA zur Jagd zu gehen. Dies stelle jedoch nur für solche einen angemessenen Ausgleich dar, die selbst Jäger sind, nicht jedoch für Nichtjäger bzw. Jagdgegner. Das Bundesverfassungsgericht führt hierzu aus (BVerfG, Beschluss vom 13.12.2006 - 1 BvR 2084/05):
„Dass die Möglichkeit, auf dem von dem Jagdverband verwalteten Gebiet zu jagen, für die Eigentümer, die die Jagdausübung ablehnen, dabei keinen angemessenen Ausgleich darstellt, haben sie (Anm.: die Vorinstanzen) ebenfalls gesehen.“
- Keine landesweite, flächendeckende Anwendung des Verdeille-Gesetzes in Frankreich (externe Ungleichbehandlung gegenüber allen Grundeigentümern). Hierzu führt das Bundesverwaltungsgericht wie folgt aus (BVerwG, Urteil vom 14. 4. 2005 - 3 C 31. 04):
„Anders als das französische Gesetz, welches der Entscheidung des EGMR zugrunde lag und sich Geltung nur für einen geringen Teil Frankreichs beimaß, gilt § 9 Abs. 1 Satz 1 BjagdG für das gesamte deutsche Staatsgebiet, sodass eine regionale Diskriminierung kleinerer Grundeigentümer ausscheidet.“
- Die französische Regelung beinhalte den Zweck, einen demokratischen Zugang zur Jagd sicherzustellen und einem größeren Personenkreis Teilhabe an einem Freizeitvergnügen zu geben, wohingegen die Bildung von Jagdgenossenschaften in Deutschland dazu diene, durch Schaffung ausreichend großer Jagdbezirke eine ordnungsgemäße Jagd zu gewährleisten (vgl. z.B. BVerfG, Beschluss vom 13.12.2006, a.a.O.; BVerwG, Urteil vom 14. 4. 2005 - 3 C 31. 04).
Da somit die gesetzgeberischen Ziele nicht miteinander verglichen werden können, die deutsche Pflichtmitgliedschaft in den Jagdgenossenschaften - im Gegensatz zum französischem Recht - bundesweit gelte und die deutschen Grundstückseigentümer mit dem anteiligen Pachterlös - im Unterschied zum französischen Eigentümer - einen geldwerten Ausgleich für den Nutzungsverlust erhielten, sahen sich die deutschen Behörden und Gerichte nach dem „Chassagnou-Urteil“ von 1999 nicht veranlasst, an der Rechtmäßigkeit der bundesdeutschen Jagdgesetzgebung zu zweifeln.
Diese Auffassung ist nach der neuen Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte nicht mehr haltbar. Dies deshalb, weil auch die luxemburgische Pflichtmitgliedschaft in den sogenannten Jagdsyndikaten flächendeckend gilt und auch dort die Eigentümer mit dem anteiligen Pachterlös einen geldwerten Ausgleich für den Nutzungsverlust erhalten.
Hierzu führt die luxemburgische Regierung wie folgt aus (EGMR Urteil vom 10.07.2007, a.a.O., Rn 37 - 38):
„Anschließend unterstreicht die Regierung, dass im Gegensatz zu dem französischen System das Gesetz von 1925 eine gerechte Entschädigung zugunsten der Mitglieder des Jagdsyndikats im Falle einer „Verpachtung“ des Jagdrechts vorsieht. Zum einen nimmt der einzelne Eigentümer jedes Jahr eine Pacht ein, die proportional zu der Fläche seines Gebietes steht. Auf der anderen Seite verfügt er unter Berücksichtigung eines kollektiven Systems der Entschädigung über eine Absicherung vor Wildschäden, welches auf dem Prinzip der Solidarität basiert.“ (...) „Außerdem bezieht sich das Gesetz von 1925 auf das gesamte luxemburgische Gebiet, im Gegensatz zu dem französischen System, welches nicht alle Departements einer Ordnung unterwirft.“
Darüber hinaus weisen das luxemburgische und deutsche Jagdrecht zahlreiche weitere Parallelen auf. Insbesondere dient die Bildung von Jagdsyndikaten in Luxemburg nicht wie in Frankreich lediglich dem demokratischen Zugang zur Jagd, sondern so wie in Deutschland der Schaffung ausreichend großer Jagdbezirke, um eine flächendeckende „Hege mit der Büchse“ zu gewährleisten.
Die luxemburgische Regierung führt hierzu aus (EGMR Urteil vom 10.07.2007, a.a.O., Rn 34):
„Zusätzlich ist die Regierung der Meinung, dass bezüglich des Ziels der Einmischung die Zielvorstellungen des Gesetzes von 1925 deutlich weiter gehen, als die des Verdeille Gesetzes. Das luxemburgische Gesetz lässt tatsächlich das Ziel, die demokratische Praxis eines Sports – der Jagd – zu sichern, im Hintergrund und berücksichtigt in erster Linie die Sicherheit der Personen und Güter, die vernünftige Verwaltung des waidmännischen Erbes und die Erhaltung des ökologischen Gleichgewichts.“
Und dennoch widmet sich das Bundesministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz auf seiner Internetseite ganze zehn Seiten dem apodiktisch daherkommenden Unterschieden zwischen der französischen und deutschen Rechtslage und verschweigt dabei selbstherrlich frönend das neue Urteil des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte:
„Mit Rücksicht auf die Unterschiede zwischen französischem Recht und deutschem Jagdrecht, die nicht zuletzt auch auf unterschiedliche Jagdtraditionen zurückgehen, liegt die Vermutung nahe, dass eine Entscheidung des EuGH MR zum Bundesjagdgesetz anders ausfallen würde als das Urteil zum französischen Jagdrecht. Insofern ist dieses Urteil daher auch nicht richtungsweisend für das deutsche Jagdrecht.“
Das Ministerium verschweigt dabei, dass fast zehn Jahre nach dem ersten richtungsweisenden Urteil erneut eine Grundsatzentscheidung in Straßburg getroffen wurde, mit denen das deutsche Zwangssystem der gemeinschaftlichen Jagdreviere nicht mehr zu vereinbaren ist.
Weiterhin schweigt sich das deutsche Ministerium wohlwissend darüber aus, dass Frankreich umgehend nach dem Urteil von 1999 gesetzliche Maßnahmen ergriffen hat, um den Forderungen des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte nachzukommen. Mit einer Gesetzesänderung vom 26. Juli 2000 wurde dem ethischen Tierschützer ein Widerspruchsrecht eingeräumt, so dass dieser nun in Lage ist, die Jagd auf seinem Grundstück aus Gewissensgründen abzulehnen. Bei Ausübung des Widerspruchs wird er nicht Zwangsmitglied in der Jagdvereinigung.
In diesem Zusammenhang führt die französische Regierung aus (EGMR Urteil vom 10.07.2007, a.a.O., Rn 17):
„(...) Um dem Urteil des Gerichts die volle Entfaltung zu geben, wurde das Gesetz Nr. 64-696 vom 10. Juli 1964 (genannt Verdeille Gesetz) durch das französische Gericht beanstandet und durch die Einfügung einer Befreiungsmöglichkeit verändert, die den waidmännischen Gewissensgrund zugunsten der Jagdgegner berücksichtigt. Das auf die Jagd bezogene Gesetz Nr. 2000-698, welches diesen Zusatzartikel einführt, ist am 26. Juli 2000 verabschiedet und am 27. Juli 2000 im Gesetzblatt veröffentlich worden. Ermächtigt durch Artikel 14 dieses Gesetzes (Aktueller Artikel L 422-10 der Umweltrichtlinien)::
„Die kommunale Vereinigung (der zugelassenen Jagd – ACCA) stützt sich auf die Grundstücke im Gegensatz zu denjenigen (…), die einen Widerspruch von den Grundstückseigentümern und Miteigentümern erfahren haben, die, aus persönlichen Überzeugungen gegen die Praktik der Jagd sind und die Ausübung der Jagd auf ihren Grundstücken, auch für sich selbst, verbieten; jedoch ohne Beeinträchtigung der Konsequenzen, die mit der Verantwortlichkeit der Eigentümer verbunden sind, vor allem bezüglich der Schäden, die durch das Wild auf ihrem Grund entstehen könnten. Wenn der Eigentümer eine juristische Person ist, kann der Widerspruch durch den Verantwortlichen des beschließenden Organs formuliert werden, um den Widerspruch zu beantragen:“
Um den Forderungen des Gerichtshofs in vollem Umfang nachzukommen, musste daher in die französische Gesetzgebung eine Befreiungsmöglichkeit zugunsten ethischer Jagdgegner aufgenommen werden.
Ferner hebt der Gerichtshof auch in dem Urteil zum luxemburgischen Jagdrecht hervor (EGMR Urteil vom 10.07.2007, a.a.O., Rn. 81):
„In diesem Fall muss das Gericht feststellen, dass die Beschwerdeführerin keine vernünftige Möglichkeit hat, sich dem Beitritt zu entziehen.“
Dem Gerichtshof kam es somit gar nicht darauf an, wie die einzelnen Jagdgesetzgebungen in Luxemburg, Frankreich und Deutschland ausgestattet sind. Dem Gerichtshof kam es nicht darauf an, ob die Jagdvereinigungen wie in Luxemburg und Deutschland flächendeckend gelten, oder wie in Frankreich nur Teile des Landes betreffen. Es kam ihm nicht darauf an, ob wie in Luxemburg und Deutschland ein vermögensrechtlicher Ausgleich für Jagdgegner erfolgt, oder ob es wie in Frankreich an einem Ausgleich fehlt. Es kam ihm nicht darauf an, was das gesetzgeberische Ziel der Zwangsabtretung ist, weil der Gerichtshof in beiden Entscheidungen deutlich hervorhebt, dass die Regelungen, egal, wie legitim sie bei ihrem Inkrafttreten auch gewesen sein mögen, einen derart schwerwiegenden Eingriff in die Menschenrechte von Jagdgegnern nicht rechtfertigen können.
Das deutsche Reviersystem mit der zwangsweise Abtretung des Jagdausübungsrechts sowie der zwangsweisen Eingliederung in Jagdgenossenschaften ohne Befreiungsvorbehalt ist daher nicht mit dem Grundgesetz zu vereinen.
Der Konventionstext und die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte dienen nämlich auf der Ebene des Verfassungsrechts zwingend als Auslegungshilfen für die Bestimmung von Inhalt und Reichweite von Grundrechten und rechtsstaatlichen Grundsätzen des Grundgesetzes, sofern dies nicht zu einer - von der Konvention selbst nicht gewollten (vgl. Art. 53 EMRK) - Einschränkung oder Minderung des Grundrechtsschutzes nach dem Grundgesetz führt (BVerfGE 111, 307 <317>).
Innerhalb der deutschen Rechtsordnung stehen die Europäische Menschenrechtskonvention und ihre Zusatzprotokolle, im Range eines Bundesgesetzes, soweit sie für die Bundesrepublik Deutschland in Kraft getreten sind. Diese Rangzuweisung führt dazu, dass Behörden und Gerichte die Konvention wie anderes Gesetzesrecht des Bundes im Rahmen methodisch vertretbarer Auslegung zu beachten und anzuwenden haben (vgl. Beschluss des BVerfG vom 13.12.2006, 1 BvR 2084/05). Die Gewährleistungen der Konvention beeinflussen die Auslegung der Grundrechte und rechtsstaatlichen Grundsätze des Grundgesetzes (vgl. Beschluss des BVerfG vom 13.12.2006, a.a.O.). Die Fachgerichte und Behörden haben daher bei der Auslegung der einschlägigen Konventionsbestimmungen die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte zwingend zu berücksichtigen, weil sich in ihr der aktuelle Entwicklungsstand der Konvention und ihrer Protokolle niederschlägt. Urteile, die gegenüber anderen Vertragsstaaten ergangen sind, binden zwar nicht die Bundesrepublik Deutschland (vgl. Art. 46 EMRK). Der Auslegung der Konvention durch den Gerichtshof ist jedoch über den entschiedenen Einzelfall hinaus eine normative Leitfunktion beizumessen, an der sich die Vertragsparteien zu orientieren haben (vgl. BVerfGE 111, 307 <320>; BVerwGE 110, 203 <210>; Beschluss des BVerfG vom 13.12.2006, a.a.O.).
Somit sind die vom Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte in seiner Abwägung berücksichtigten Aspekte in die rechtliche Würdigung, namentlich in die Verhältnismäßigkeitsprüfung, einzubeziehen und es hat eine Auseinandersetzung mit den vom Gerichtshof gefundenen Abwägungsergebnissen stattzufinden (Beschluss der 1. Kammer des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts vom 1. März 2004 – 2 BvR 1570/03 –, NVwZ 2004, S. 852 <853>; BVerfGE 111, 307 <324>).
Im Hinblick auf das neue Urteil des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte muss in der Bundesrepublik Deutschland die rechtliche Auseinandersetzung mit den vom Gerichtshof getroffenen Ergebnissen erneut geschehen. Die Gerichte müssen das Urteil des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte vom 10.07.2007 in den Blick nehmen und hierbei die Gemeinsamkeiten und Unterschiede der rechtlichen und tatsächlichen Verhältnisse nach deutschem Jagdrecht gegenüber den maßgeblichen nach luxemburgischen Recht herausarbeiten. Der vorliegende Fall hat daher grundsätzliche Bedeutung. Eine Auseinandersetzung mit dem neuen Urteil wird zur Folge haben, dass das System der Gemeinschaftsjagdreviere in Deutschland nicht mehr länger haltbar ist.
Der Kläger begehrt daher zu Recht die Befreiung vom Zwang der Mitgliedschaft in der Jagdgenossenschaft. Er appelliert an das Gericht, dem Gesetzgeber endlich reinen Wein einzuschenken und die grundlegenden Wertentscheidungen des höchsten europäischen Spruchkörpers in seiner Entscheidung zu berücksichtigen.
II. Sachverhalt
1. Der Kläger ist zweiter Vorsitzender des Arbeitskreises für humanen Tierschutz und gegen Tierversuche e.V. und ein bundesweit anerkannter ethischer Tierschützer.
Beweis: Förmliche Parteieinvernahme des Klägers
2. Der Kläger ist Eigentümer des Grundstückes Fl.-Nr. 502/5 der Gemarkung Frankenbrunn.
Beweis: Grundbuchauszug in Kopie, Anlage K 1
Dieses Grundstück gehört zum Gemeinschaftsjagdrevier Frankenbrunn.
3. Mit Antrag vom 7.5.2007 begehrte der Kläger die Befreiung vom Zwang der Mitgliedschaft in der Jagdgenossenschaft.
Beweis: Antrag des Klägers vom 7.5.2007 in Kopie, Anlage K 2
4. Mit Bescheid vom 8.8.2007 wurde dem Kläger die Befreiung von dem Beklagten untersagt.
Beweis: Bescheid vom 8.8.2007 in Kopie, Anlage K 3
5. Hiergegen erhob der Kläger am 24.8.2007 fristgerecht Klage.
Im Übrigen wird auf die Gerichts – und Behördenakten Bezug genommen.
III. Gegenstand des Verfahrens
Gegenstand des Verfahrens ist die Verpflichtung des Beklagten, den Kläger unter Aufhebung des Ausgangsbescheides vom Zwang der Mitgliedschaft in der Jagdgenossenschaft zu befreien.
IV. Rechtliche Würdigung
1. Zulässigkeit der Klage
a. Eine Verletzung von Grundrechten des Klägers (insbesondere von Art. 4, Art 9 und Art. 14 GG) scheint nach den Entscheidungen des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte nicht ausgeschlossen zu sein, so dass die Klagebefugnis (§ 42 Abs. 2 VwGO) gegeben ist.
b. Des weiteren besteht auch kein einfacherer Weg, um das Rechtsschutzziel zu erreichen. Insbesondere verfügt der Kläger nicht über die Möglichkeit, das Ruhen der Jagd auf seinem Grundstück durchzusetzen. Ein Ruhen der Jagd durch die untere Jagdbehörde ist nur dann möglich, wenn die betreffende Fläche in einem befriedeten Bezirk liegt (§ 6 BJagdG, Art. 6 Abs. 1 BayJG), oder von der Jagdbehörde für befriedet erklärt wird (Art. 6 Abs. 2 BayJG), oder wenn die Jagdgenossenschaft mit Zustimmung der Jagdbehörde die Jagd ruhen lässt (Art. 6 Abs. 4 BayJG). Bei dem Grundstück des Klägers handelt es sich nicht um einen befriedeten Bezirk im Sinne des Art. 6 Abs. 1 BayJG und damit nicht um eine Grundfläche, auf der die Jagd kraft Gesetzes ruht. Ebenso handelt es sich nicht um eine Grundfläche, die nach Art. 6 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 BayJG von dem Beklagten für befriedet erklärt werden könnte. Das Grundstück ist von allen Seiten offen zugänglich und erfüllt somit nicht die gesetzlichen Voraussetzungen für ein Befriedung.
Hinzu kommt, dass gemäß Art. 6 Abs. 4 Satz 1 BayJG nur die Jagdgenossenschaft mit Zustimmung der unteren Jagdbehörde die Jagd ruhen lassen kann. Diese Zustimmung wird jedoch nur in Ausnahmefällen erteilt.
Zweifelhaft ist in diesem Zusammenhang auch schon, ob das Ruhen der Jagd nach Art. 6 Abs. 4 Satz 1 BayJG auf einem einzelnen Grundstück überhaupt möglich ist, oder ob sich das Ruhen der Jagd auf das gesamte gemeinschaftliche Jagdrevier erstrecken muss.
Zudem würde dem Kläger ein Ruhen der Jagd im Vergleich zur vollständigen Befreiung vom Zwang der Mitgliedschaft keine hinreichend sichere Rechtsposition zuteilen, weil er durch das Ruhen der Jagd Zwangsmitglied in der Jagdgenossenschaft bliebe und das Ruhen der Jagd von der unteren Jagdbehörde jederzeit wieder aufgehoben werden könnte.
Der Antrag auf Befreiung vom Zwang der Mitgliedschaft in der Jagdgenossenschaft stellt daher für den Kläger den einzigen sinnvollen Weg dar, eine Bejagung seines Grundstücks dauerhaft zu verhindern. Das Rechtschutzbedürfnis ist daher im Hinblick auf das klägerische Begehren gegeben.
2. Begründetheit der Klage
Die Klage ist begründet, da das Landratsamt Bad Kissingen für das begehrte Rechtsschutzziel sachlich nach Art. 52 Abs. 3 BayJG und örtlich nach Art. 3 Abs. 1 Nr. 1 BayVwVfG zuständig ist und die Regelungen des Bundesjagdgesetzes über die Bildung von gemeinschaftlichen Jagdbezirken (§ 8 Abs. 1) und von Jagdgenossenschaften (§ 9 Abs. 1) und über die Übertragung des Jagdausübungsrechts auf die Jagdgenossenschaften (§ 8 Abs. 5) ohne Befreiungsvorbehalt den Kläger in seinen subjektiven Rechten aus Art. 14 Abs. 1, Art. 9 Abs. 1 (bzw. Art. 2 Abs. 1), Art. 4 Abs. 1 sowie Art. 3 Abs. 1 GG verletzen. Daraus ergibt sich die Rechtswidrigkeit des angegriffenen Bescheides sowie die Verpflichtung des Beklagten, den Kläger vom Zwang der Mitgliedschaft in der Jagdgenossenschaft zu befreien.
a. Verletzung des Art. 14 Abs. 1 GG
Die Regelungen des Bundesjagdgesetzes über die Bildung von gemeinschaftlichen Jagdbezirken (§ 8 Abs. 1) und von Jagdgenossenschaften (§ 9 Abs. 1) und über die Übertragung des Jagdausübungsrechts auf die Jagdgenossenschaften (§ 8 Abs. 5) ohne Befreiungsvorbehalt stellen keine zulässige Inhalts- und Schrankenbestimmung des Eigentums im Sinne des Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG dar.
Dabei kann letztendlich dahinstehen, ob die im Streit befindlichen Vorschriften geeignet und erforderlich sind, was vom Kläger ausdrücklich bestritten wird. Die Anwendung der entsprechenden Vorschriften sind im vorliegenden Einzelfall offensichtlich unverhältnismäßig und verletzen somit den Kläger in seinen subjektiven Rechten.
aa. Eröffnung des Schutzbereichs
Der Kläger verliert mit der zwangsweisen Eingliederung in eine Jagdgenossenschaft das mit dem Jagdrecht verbundene Jagdausübungsrecht zugunsten der Jagdgenossenschaft. Sie entscheidet an seiner Stelle, wer wann in welchem Umfang auf seinem Grundstück die Jagd ausübt. Dem Jagdgenossen geht insoweit die Befugnis verloren, mit seinem Grundstück "nach Belieben zu verfahren und andere von jeder Einwirkung auszuschließen", wie es ihm nach § 903 BGB zustehen würde. Diese Befugnis gehört zum Schutzbereich des Art. 14 Abs. 1 S. 1 GG. Es bestehen daher keine Zweifel, dass die Nutzungsbeschränkung des Eigentums in Form der Zwangsabtretung des Jagdausübungsrechts an eine Jagdgenossenschaft den Schutzbereich des Art. 14 GG eröffnet.
bb. Eingriff in den Schutzbereich
Die Regelungen des Bundesjagdgesetzes über die Bildung von gemeinschaftlichen Jagdbezirken (§ 8 Abs. 1) und von Jagdgenossenschaften (§ 9 Abs. 1) und über die Übertragung des Jagdausübungsrechts auf die Jagdgenossenschaften (§ 8 Abs. 5) stellen eine Inhalts- und Schrankenbestimmung des Eigentums im Sinne von Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG dar (vgl. z.B. Beschluss des BVerfG vom 13.12.2006, a.a.O.). Ein Eingriff in den Schutzbereich liegt daher vor.
Bereits an dieser Stelle sollte geklärt werden, wie schwerwiegend dieser Eingriff ist.
Das Bundesverfassungsgericht meint hierzu geradezu lapidar:
„Entgegen der Auffassung des Beschwerdeführers wird der Kernbereich des Grundeigentums durch die angegriffenen Regelungen nicht berührt. Mit dem Jagdausübungsrecht wird dem Beschwerdeführer nur ein inhaltlich klar umrissener, begrenzter Teil der Nutzungs- und Gestaltungsmöglichkeiten genommen, die ihm sein Grundeigentum einräumt. Dem Beschwerdeführer verbleibt auch nach Übergang des Jagdausübungsrechts auf die Jagdgenossenschaft eine Rechtsposition, die den Namen "Eigentum" noch verdient (vgl. nur BVerfGE 24, 367 <389>).“
Ist dem wirklich so? Schauen wir einmal näher hin:
Betrachtet man die Systematik des Bundesjagdgesetzes genau, fällt auf, dass es dem Gesetzgeber durch einen geschickten Kunstgriff gelungen ist, die klassische Enteignung eines vermögenswerten Rechts zu umgehen.
Durch die „Abspaltung“ des Jagdausübungsrechts vom Jagdrecht verliert der Grundstückseigentümer ein vermögenswertes Recht, welches nach gefestigter Rechtssprechung erst in den Händen der Jagdgenossenschaft zu einem sonstigen Recht im Sinne des Art 14 Abs. 1 Satz 1 GG erstarkt.
Der Bundesgerichtshof führt hierzu aus (vgl. Senatsurteil BGH, III ZR 110/99 - NJW 2000, 1720):
„Das Jagdrecht steht als untrennbar mit dem Eigentum an Grund und Boden verbundenes Recht dem Grundeigentümer zu (§ 3 Abs. 1 Sätze 1 und 2 BJagdG). Vom Jagdrecht ist das Jagdausübungsrecht zu unterscheiden. Im Interesse einer ordnungsgemäßen Hege des Wildes darf der Grundeigentümer das Jagdrecht nur ausüben, wenn ihm eine zusammenhängende Grundfläche von mindestens 75 ha gehört, die einen Eigenjagdbezirk i.S. des § 7 BJagdG bildet. In diesem Falle ist der Grundeigentümer auch jagdausübungsberechtigt (§§ 3 Abs. 3, 7 Abs. 4 Satz 1 BJagdG). Wenn dagegen - wie hier - der Grundbesitz der einzelnen Eigentümer die genannte Mindestgröße unterschreitet, ist er Teil eines gemeinschaftlichen Jagdbezirks (§ 8 Abs. 1 BJagdG). Hier steht die Ausübung des Jagdrechts nach § 8 Abs. 5 BJagdG der Jagdgenossenschaft als der Vereinigung der Grundeigentümer (§ 9 Abs. 1 BJagdG) zu. In gemeinschaftlichen Jagdbezirken darf der Eigentümer sein Jagdrecht nicht mehr selbst hegend und jagend ausüben, sondern nur noch in der einem Jagdgenossen erlaubten Art und Weise nutzen (vgl. Senatsurteil BGHZ 84, 261, 264). Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs stellt das in der Hand einer Jagdgenossenschaft befindliche Jagdausübungsrecht ein vermögenswertes privates Recht dar, das zu den sonstigen Rechten i.S. des § 823 Abs. 1 BGB gehört und als konkrete subjektive Rechtsposition, die der Jagdgenossenschaft als öffentlich-rechtlicher Körperschaft selbst zusteht, den Schutz des Art. 14 GG genießt (Senatsurteile BGHZ 84, 261, 264; 132, 63, 65). Das Jagdausübungsrecht der Genossenschaft ist gleichsam ein "Stück abgespaltenes Eigentum" der einzelnen Jagdgenossen, das erst in der Hand der Genossenschaft als Trägerin zu einem Recht erstarkt (BGHZ 84, 261, 265 f; 132, 63, 65).“
Der Gesetzgeber teilt somit dem Grundeigentümer das Jagdrecht zu, bindet dieses unmittelbar an das dingliche Eigentum, so dass es als selbstständiges dingliches Recht nicht begründet werden kann, und spaltet von diesem dinglichen „Verbund“ (Eigentum und Jagdrecht) das Jagdausübungsrecht ab. Dadurch verkommt das Jagdrecht in den Händen des Eigentümers zu einer leeren Hülse, wohingegen das abgespaltete Jagdausübungsrecht in den Händen einer öffentlich-rechtlichen Körperschaft zu einem eigenen und vom Grundeigentum „abgespalteten“ vermögenswerten Recht im Sinne des Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG erstarkt. Dieser Kunstgriff führt zu dem paradoxen Ergebnis, dass eine Einschränkung des Jagdausübungsrecht - wie z.B. der Bau eines öffentlichen Verkehrsweges durch ein Jagdrevier - eine entschädigungspflichtige Enteignung zu Lasten der Jagdgenossenschaft darstellen kann (vgl. nur BGHZ 84, 261; 132, 63), wohingegen sich der Grundeigentümer als Inhaber des Jagdrechts die vollständige Entziehung des Jagdausübungsrechts durch dessen Abkopplung vom Jagdrecht und Übertragung auf eine öffentlich-rechtliche Körperschaft gefallen lassen muss.
Das Jagdausübungsrecht dabei auch noch als ein „Stück abgespaltenes Eigentum" zu bezeichnen ist beinahe schon dreist (vgl. nur BGHZ 84, 261; 132, 63), weil der Gesetzgeber in § 3 Abs. 1 BJagdG eine rechtsdogmatische Grundsatzentscheidung getroffen hat, indem er das Jagdrecht (zu welchem vor allem das Jagdausübungsrecht zählt) untrennbar mit dem Grund und Boden verbindet und das Jagdrecht dem Eigentümer zuordnet; und zwar bedingungslos und nicht etwa „unbeschadet anderer Vorschriften“. Ebenso bedingungslos trifft der Gesetzgeber in § 1 Abs. 1 BJagdG eine weitere Grundsatzentscheidung, indem er dort klarstellt, dass das Jagdrecht (zu welchem vor allem das Jagdausübungsrecht zählt) und welches nach § 3 Abs. 1 BJagdG dem Grundeigentümer zusteht, die ausschließliche Befugnis ist, auf einem bestimmten Gebiet wildlebende Tiere, die dem Jagdrecht unterliegen (Wild), zu hegen, auf sie die Jagd auszuüben und sie sich anzueignen - und zwar bedingungslos und nicht etwa „unbeschadet anderer Vorschriften“.
Die Abkopplung des gesamten Jagdrechts vom Eigentum und dessen Übertragung an eine Jagdgenossenschaft wäre daher bereits auf dem ersten Blick nicht zulässig gewesen. Der Gesetzgeber erfindet daher in § 8 Abs. 5 BJagdG ein vom Jagdrecht abtrennbares Jagdausübungsrecht, spaltet dieses durch den bereits erwähnten Kunstgriff vom ausschließlich dem Eigentümer zustehenden Jagdrecht ab und schanzt es einer „öffentlich-rechtlichen“ Körperschaft zu. Der Eigentümer verliert dadurch eine wesentliche Rechtsposition, da Grundstücke im Außenbereich – wenn überhaupt - nur land- oder forstwirtschaftlich, zur Freizeitgestaltung oder eben zur Ausübung der Jagd genutzt werden können. Andere Nutzungsmöglichkeiten lässt das Baurecht im Außenbereich nicht zu.
Mit dem Jagdausübungsrecht wird dem Eigentümer daher nicht – wie das Bundesverfassungsgericht behauptet - nur ein unwesentlicher Teil der Nutzungs- und Gestaltungsmöglichkeiten genommen, die ihm sein Grundeigentum einräumen. Er verliert vielmehr faktisch ein vermögenswertes Recht, dessen „Diebstahl“ er nicht als Enteignung eines sonstigen Rechts im Sinne des Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG geltend machen kann, weil es als unselbständiger Teil an das Eigentum gekoppelt ist und erst in den Händen der Jagdgenossenschaft zu einem eigenständigen, vermögenswerten Recht im Sinne des Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG erstarkt. Die Zwangsabtretung des Jagdausübungsrechts ist daher – genau betrachtet – die vollständige Enteignung eines vermögenswerten Rechtes. Jedenfalls stellt sie eine Inhalts- und Schrankenbestimmung des Eigentums dar, die beträchtlich ist und nicht nur unwesentlich, wie das Bundesverfassungsgericht behauptet.
Hinzu kommt, dass sich die deutschen Gerichte – vor allem das Bundesverfassungsgericht – sich überhaupt noch nie mit der Frage beschäftigt haben, welche Auswirkungen die Zwangsabtretung des Jagdausübungsrechts für den Eigentümer hat. Die unmittelbaren Auswirkungen der Abtretung hätten spätestens in der Verhältnismäßigkeitsprüfung unter die Lupe genommen werden müssen.
Die Folgen sind nämlich gerade für ethische Tierschützer verheerend:
Eigentümer, die aus ethischen Gründen gegen die Tötung von Tieren eingestellt sind, müssen dulden, dass bewaffnete Menschen mit Hunden ihr Grundstück betreten, um dort Tiere zu töten, an denen sie sich in ihrer Freizeit erfreuen. Sie müssen dulden, dass der Jagdpächter jagende Freunde einlädt, die auf dem Grundstück eine ohrenbetäubende Gesellschaftsjagd abhalten und dort entweder alle Tiere tot schießen oder sie für lange Zeit von dem Grundstück vergrämen. Dabei dürfen die Jagdausübungsberechtigten den Boden des Grundstücks mit Blei kontaminieren, ohne die Altlasten hinterher wieder nach dem Verursacherprinzip beseitigen zu müssen; sie dürfen auch mehrere Meter hohe, an KZ-Türme erinnernde Schießplattformen errichten. Die gesetzlichen Vorschriften erlauben ihnen sogar, die Katze des Grundstückseigentümers zu erschießen, wohlgemerkt auf dessen eigenem Grundstück. Kann dies alles unter moralischen, ethischen und juristischen Gesichtspunkten gerechtfertigt sein?, fragt sich zu Recht empört der Kläger.
cc. Rechtfertigung des Eingriffs
Der Eingriff in den Schutzbereich des Art. 14 GG bedarf einer geeigneten und erforderlichen gemeinwohlbezogenen Rechtfertigung und darf nicht unverhältnismäßig sein. Insbesondere muss das Übermaßverbot beachtet werden. In die Verhältnismäßigkeitsprüfung müssen die vom Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte in seiner Abwägung berücksichtigten Aspekte einbezogen werden. Dabei hat eine Auseinandersetzung mit den vom Gerichtshof gefundenen Abwägungsergebnissen stattzufinden (vgl. Beschluss der 1. Kammer des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts vom 1. März 2004 – 2 BvR 1570/03 –, NVwZ 2004, S. 852 <853>; BVerfGE 111, 307 <324>).
(1) Geeignetheit des Mittels
Die Gemeinwohlorientierung der zwangsweise Zusammenfassung kleinerer und mittlerer Grundstücksflächen zu einem gemeinschaftlichen Jagdbezirk wird von den Gerichten in aller Regel in der in § 1 Abs. 2 BJagdG normierten Pflicht zur Erhaltung eines den landschaftlichen und landeskulturellen Verhältnissen angepassten artenreichen und gesunden Wildbestandes, der Pflege und Sicherung seiner Lebensgrundlagen, sowie vor allem in der Vermeidung von übermäßigen Wildschäden gesehen.
Nach Ansicht des Bundesverfassungsgerichtes verfolgt der Gesetzgeber damit ein „legitimes Ziel“ (vgl. Beschluss des BVerfG vom 13.12.2006, a.a.O.):
„Dies gilt sowohl für die in § 1 BJagdG ausdrücklich geregelten Zwecke als auch für das gesetzgeberische Anliegen, die Jagdbefugnisse grundstücksübergreifend zu regeln: Der Gesetzgeber hat mit dem Zweiten Gesetz zur Änderung des Bundesjagdgesetzes vom 28. September 1976 (BGBl I, S. 2841) § 1 BJagdG novelliert, dabei ausdrücklich die Belange des Tierschutzes berücksichtigt und daher in Absatz 1 Satz 2 eine Pflicht zur Hege gesetzlich begründet. Nach § 1 Abs. 2 Satz 1 BJagdG hat die Hege zum Ziel die Erhaltung eines den landschaftlichen und landeskulturellen Verhältnissen angepassten artenreichen und gesunden Wildbestandes, sowie die Pflege und Sicherung seiner Lebensgrundlagen. Die Einfügung des Wortes "landeskulturell" in Absatz 2 Satz 1 sollte den zu erhaltenden Wildbestand auch auf die enge Verbindung zwischen Agrarstrukturverbesserung und Landschaftspflege unter besonderer Berücksichtigung der ökologischen Ausgleichsfunktion des ländlichen Raumes ausrichten. Der Begriff soll nach den Vorstellungen des Gesetzgebers alle ökonomischen und ökologischen Aspekte umfassen, die bei der Anpassung des Wildbestandes an die land- und forstwirtschaftlich genutzte und betreute Landschaft zu berücksichtigen sind (vgl. Entwurf eines Zweiten Gesetzes zur Änderung des Bundesjagdgesetzes, BTDrucks 7/4285, S. 1, 11 f.). Der Ausschuss für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten des Deutschen Bundestags wollte die auch der ordnungsgemäßen land-, forst- und fischereiwirt-schaftlichen Nutzung dienende Funktion der Hege noch klarer herausstellen und schlug dem Deutschen Bundestag den Gesetz gewordenen § 1 Abs. 2 Satz 2 BJagdG vor, der in der Hege nicht nur das Instrument zur Vermeidung von Wildschäden sieht, sondern mit der Hege möglichst jegliche Beeinträchtigung einer ordnungsgemäßen land-, forst- und fischereiwirtschaftlichen Nutzung unterbinden will (Bericht und Antrag des Ausschusses für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten, BTDrucks 7/5471, S. 3, 6). Diese im Bundesjagdgesetz ausdrücklich festgelegten Gesetzeszwecke haben die Gerichte ihren hier angegriffenen Urteilen zugrunde gelegt.“
Diese Rechtfertigung ist allerdings in der Zwischenzeit äußerst umstritten und längst nicht mehr selbstverständlich, denn die Hege mit „Futtersack und Büchse" orientiert sich in der Praxis weniger an den Erfordernissen eines „artenreichen Wildbestandes" (vgl. § 1 Abs. 2 Satz 1 BJagdG) und der Vermeidung von Verbissschäden (vgl. § 1 Abs. 2 Satz 2 BJagdG), sondern eher an der Fütterung und dem Abschuss trophäenträchtiger sowie gesunder und gut essbarer Wildarten.
Der überaus jägerfreundliche und daher bei der Rechtssprechung allgemein anerkannte Univ.-Prof. Dr. iur. Johannes Dietlein führte dazu in seinen Reflexionen „Die Zukunft des Revierprinzips“ anlässlich der Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte vom 29.04.1999 aus:
„Neben sicherheitsrechtlichen Aspekten, die das Gesetz freilich nicht explizit erwähnt, sucht das deutsche Recht auf diese Art und Weise einen praktischen Ausgleich herzustellen zwischen den berechtigten Schutzinteressen der Land- und Forstwirtschaft einerseits sowie dem vorrangig, aber keineswegs ausschließlich öffentlichen Interesse an der Erhaltung gesunder und artenreicher Wildbestände andererseits. Beide Ziele werden übrigens im Bundesjagdgesetz verbindlich festgelegt, so dass der gängige Slogan „Wald vor Wild“ die Rechtslage zumindest verzerrt wiedergibt. Er ignoriert das verbindliche Wilderhaltungs-gebot des § 21 Abs. 1 Satz 2 BJagdG. Er ignoriert die gesetzgeberische Entscheidung des § 1 Abs. 2 BJagdG, Wildschäden nicht in jedem Falle und um jeden Preis, sondern lediglich „möglichst“ zu vermeiden (was nichts anderes heißt, als dass sog. „tragbare Wildschäden“ um der Erhaltung der Wildbestände willen hingenommen werden müssen und bloß zu entschädigen sind). Er ignoriert aber auch das Gebot, konfligierende Interessen im Sinne einer praktischen Konkordanz so auszugleichen, dass beide Interessen ihren Platz finden. Nicht „Wald vor Wild“ lautet das primäre Bekenntnis des Bundesjagdgesetzes, sondern „Wald und Wild“.
Die forstwirtschaftlichen Forderungen bis hin zum Totalabschuss von Wild würden daher das Jäger-Bekenntnis „Wald und Wild“ zunichte machen und die Trophäenjagd einschränken bzw. ganz verhindern. Die Jäger setzen sich daher für einen möglichst effektiven Bestandsschutz des Wildes durch Hegemaßnahmen – z.B. Winterfütterungen – ein, und betonen dabei ihre tierschützerische Motivation. Die dadurch verursachten hohen Bestandszahlen an Wild schädigen den durch die Umwelteinflüsse bereits erheblich geschwächten Wald. Die Verbissschäden liefern den Jägern schließlich wiederum die Legitimationsgrundlage dafür, den Politikern und Bürgern gegenüber die Notwendigkeit der Jagd zu postulieren. Dabei ist bei den Verbissschäden durch Rehe die Jagd eher das Problem als die Lösung: Anerkannte Fachleute weisen darauf hin, dass das Wild sich nur deshalb so häufig im Wald aufhält, weil es vor der Jagd Deckung sucht und dass der Stress der Jagd besonderen Nahrungsbedarf auslöst.
Und was schließlich die Notwendigkeiten der Populationsregulierung anbelangt, so kommt man immer mehr zu dem Ergebnis, dass die Tiere ihre Populationsdichte am besten selbst regeln und dass Überpopulationen vor allem dadurch entstehen, dass bestimmte Tierarten von den Jägern aus augenfälligen Gründen besonders gefördert werden. Bei diesen förderungswürdigen Trophäen (Wildarten) handelt es sich vor allem um Hirsche, Böcke und Wildschweine, denen wiederum das größte Schadenspotential für Wald und Feld nachgesagt wird.
Der Auffassung, dass sich die richtige Wilddichte ganz von selbst einstellt, ist z.B. Prof. Dr. Josef Reichholf. Prof. Reichholf leitet die Abteilung Wirbeltiere der Zoologischen Staatssammlung München und lehrt als Professor an beiden Münchner Universitäten Biologie und Naturschutz.
Prof. Reichholf wörtlich:
„Die richtige Wilddichte könnte sich ganz von selbst einstellen, wenn das Reh nicht durch Bejagung und Wildfütterung in den Wald hineingedrängt würde.“
Auch die immer wieder von Jägern behauptete Gefahr von Wildseuchen ist eine bereits vielfach widerlegte Mär. Im Falle der Schweinepest sah es sogar der Bayerische Verwaltungsgerichtshof nicht als erwiesen an, dass die Wildschweinpopulation Erstursache für den Ausbruch der Tierseuche sei und folgte dabei der herrschenden Meinung in der Wissenschaft (vgl. Beschluss des BayVGH vom 14. Januar 2005, Az. W 6 S 04 1496). Es wird wohl noch eine Weile dauern, bis sich diese herrschende Meinung in den Kreisen der sogenannten Jagdexperten herumgesprochen hat. Oder ist den Jägern keine Lüge zu infam, um die Öffentlichkeit von der Notwendigkeit der gnadenlosen Wildschweinbejagung zu überzeugen?
Ferner können sich die Jäger auch nicht darauf berufen, mit ihrer Wildhatz einer Störung des biologischen Gleichgewichts zuvorzukommen. Unter Wissenschaftlern mehren sich mittlerweile die Stimmen, dass der Mensch nicht in der Lage ist, Wild effektiv zu regulieren. Auch in den Jägerkreisen scheint diese neue Sicht der Wirklichkeit endlich angekommen zu sein, zumindest was die beispiellose Hatz auf Wildschweine angeht. In der Dezemberausgabe 2006 der Jägerzeitschrift PIRSCH heißt es hierzu:
„Abschließend muss grundsätzlich die Frage erlaubt sein, was wir im Zusammenhang mit der Schwarzwildhege denn nun eigentlich wollen? Bei allen jagdlichen Freuden, die uns das Schwarzwild beschert, sind wir leider nicht in der Lage - und zwar republikweit -, so mit den Sauen umzugehen, dass man von sozial-biologischstabilen Beständen sprechen könnte. Trotz Schwarzwildringen, Hegegemeinschaften und Ähnlichem, die bedauernswerterweise häufig nur auf dem Papier funktionieren, kann wohl gegenwärtig kaum irgendwo der Nachweis einer nachhaltigen Altersklassenhege erbracht werden. Dazu gehören eine befriedigende Anzahl an Leitbachentypen und reifen Keilern (ab 5 Jahre). Wo bleibt die Verpflichtung nach § 1 BJagdG zur Hegepflicht? Unsere Schwarzwildbestände sind (oder waren sie?) hoch, sozialbiologisch desorganisiert, in ihrer Struktur eher "Kindergärten"! Der Begriff asozial ist wohl am treffendsten, denn die Sozialstrukturen sind zerstört. Reife Keiler sind die seltene Ausnahme, "Kinder gebären Kinder" und die damit provozierte Verzwergung der Bachen schreitet dramatisch fort. Wir Jäger (!) haben dabei zudem einen Schwarzwildbestand geschaffen, der höchst anfällig ist. (Anm. des Unterzeichners: Das Ausrufezeichen hinter Jäger wurde von der Zeitschrift gesetzt)“
Der Wildschweinexperte des Deutschen Jagdschutzverbandes (DJV), Norbert Happ, fasste das Problem mit den Wildschweinen trefflich wie folgt zusammen:
„Das deutsche Wildschweinproblem ist jägergemacht!“
Nach all dem sollte nicht mehr wider besseren Wissen behauptet werden, dass die Jagd notwendig sei, um Wildpopulationen effektiv zu regulieren. Nach all dem sollte Wild nicht mehr als Brutstätte für die Erreger von Wildseuchen bezeichnet werden, um die wahren Ursachen und Verbreitungsvehikel, nämlich die Massentierhaltung, die Lebendtiertransporte und die Schlachtschwein-Fleischtransporte, mit denen Lobbys Milliarden verdienen, zu vertuschen. Vielmehr verlangt der Kläger, dass sich vor allem auch die Gerichte endlich eingestehen, dass die Jagd oftmals selbst die Ursache für Verbissschäden und die Verbreitung von Krankheiten ist. Jagdausübungsberechtigte transportieren ihre Jagdbeute über große Strecken, ohne Infektionen zu berücksichtigen; sie befördern Blut und andere tierische Zellen an Schuhen und Kleidung und werfen den Wildschweinen bei der „Kirrung“ zuhauf stark gefährdete Hausschwein-Schlachtabfälle und die Überreste der zuvor geschossenen Artgenossen zum Fraß vor.
Auch die Tollwut oder der Fuchsbandwurm verbreiten sich nur, weil die Jäger die „Reviere“ der Füchse fortlaufend leer fegen und naturgemäß immer wieder neue Füchse einwandern, um den frei gewordenen Standort zu besetzen, bis es ihnen wieder an den Kragen geht. So verursachen die Jäger eine starke Wanderung unter den Füchsen. Tollwut- oder Fuchsbandwurmerreger verlassen daher mit ihrem Wirt viel häufiger ein Revier und gehen zum nächsten. Je mehr Füchse jedes Jahr erlegt werden, desto mehr Nachkommen werden erzeugt und desto mehr Jungfüchse gibt es, die sich im Herbst ein eigenes Revier suchen müssen. Gerade diese Jungfüchse sind es aber, die auf ihren langen herbstlichen Wanderungen zur Verbreitung von Krankheiten beitragen: Sie begegnen weit mehr Artgenossen als territoriale, also sesshafte Füchse, und laufen Gefahr, sich bei Revierkämpfen mit der Tollwut oder dem Fuchsbandwurm zu infizieren oder diese weiterzugeben.
Die Mär, dass Jäger die Tollwut oder den Fuchsbandwurm bekämpfen, ist daher nachweislich eine unwahre Tatsachenbehauptung. Das Gegenteil ist der Fall. Die Jäger fördern mit ihrem fragwürdigen Hobby die Verbreitung der Tollwut und des Fuchsbandwurmes. Und dennoch wird in Deutschland ein regelrechter Vernichtungsfeldzug gegen dieses „Raubzeug“ (= Konkurrent) geführt: mit Schrot, Fangeisen, Fallen, Vergasung im Bau und vergifteten Ködern - und zwar das ganze Jahr. Doch die Ausbreitung der Tollwut wurde durch keine der Maßnahmen gestoppt. Der Schweizer Kanton Wallis ist durch Impfaktionen seit 1981 tollwutfrei. Diese Aktion kostete das Wallis 106.800 Franken im Jahr, während der angrenzende Kanton Bern - flächenmäßig nur wenig größer - 818.146 Franken für die Tötung einer großen Zahl von Füchsen und für die Impfung des Viehs ausgab, ohne die Tollwut dabei einzudämmen. Dort wo man Füchse einfach sich selbst überließ, erlosch die Tollwut nach einiger Zeit von selbst wie z. B. im Nationalpark Berchtesgaden oder im Versuchsgebiet Grafenau/Bayer. Wald (vgl. zur gesamten Problematik nur L. G. Schneider, Einfluss der oralen Immunisierung auf die Epidemiologie der Tollwut, Heft 20 der Schriften des Arbeitskreises Wildbiologie an der Justus-Liebig-Universität Gießen e.V., Neumann-Neudamm, Melsungen 1990, C. Commicheau & H. Sprankel [Hrsg.], Fuchs-Symposium Koblenz).
Des weiteren betreiben Jäger bei der Ausübung der Jagd auf Wildtiere mitnichten aktiven Naturschutz. Auch das lässt sich leicht beweisen, denn die Jagd führt nachweislich zu einer Reduzierung der Artenvielfalt. Man bedenke nur den fortwährenden Abschuss stark bedrohter Tierarten wie den Feldhasen oder das Rebhuhn oder das beschleunigte Artensterben auf dem Land verglichen mit der zunehmenden Artenvielfalt in einer Stadt wie Berlin, wo die Jägerzunft nicht schalten und walten kann, wie ihr beliebt.
Dies bestätigt auch Prof. Dr. Josef Reichholf. Prof. Reichholf leitet, wie gesagt, die Abteilung Wirbeltiere der Zoologischen Staatssammlung München und lehrt als Professor an beiden Münchner Universitäten Biologie und Naturschutz.
Hierzu Prof. Reichholf wörtlich:
„Die Bedeutung des Schutzes vor Verfolgung für die Artenvielfalt zeigt sich in unseren Städten: Während auf dem Land immer mehr Tierarten aussterben, nimmt die Artenvielfalt von frei lebenden Säugetieren und Vögeln in den Städten zu.“
Seit Jahren kritisieren somit nicht nur Natur- und Vogelschützer, sondern auch renommierte Wissenschaftler die Jagd mit Zahlen und Fakten. So ist längst erwiesen, dass die Freizeitjagd überflüssig und schädlich ist und sich nicht mit wissenschaftlichen Argumenten rechtfertigen lässt. Doch all die vielen Publikationen und Bücher gegen die Jagd haben weder die Einstellung der deutschen Politik noch die der Gerichte entscheidend verändert.
Im Ergebnis steht jedoch fest, dass an der Geeignetheit der im Streit befindlichen gesetzlichen Regelungen des Bundesjagdgesetzes stark gezweifelt werden darf, was vor allem bei der Verhältnismäßigkeitsprüfung i.e.S. zum Tragen kommen wird.
(2) Erforderlichkeit des Mittels
Man muss den Streit über die Geeignetheit der Jagd, der sich zur Zeit zwischen Jägern und Tierschützern zuspitzt, nicht entscheiden, um die bisherige Rechtfertigung des Reviersystems mit einem Fragezeichen zu versehen: Selbst wenn die einzelnen Rechtfertigungskomponenten – Verbissschäden, Regulierung der Population, Bewirtschaftung von Wildbeständen – in sich schlüssig und miteinander in Einklang zu bringen wären, würde dies noch lange nicht bedeuten, dass sie eine lückenlose Bejagung erforderlich machen. Eine Verhältnismäßigkeit des Eingriffs ist jedoch nur gegeben, wenn das Mittel erforderlich ist.
Nach der Rechtssprechung des Bundesverfassungsgerichtes sind die entsprechenden Regeln des Bundesjagdgesetzes erforderlich. Das Gericht führt hierzu aus (vgl. Beschluss des BVerfG vom 13.12.2006, a.a.O.):
„Die gesetzlichen Regelungen sind auch erforderlich. Die in Betracht kommenden milderen Mittel wie ein Ruhenlassen der Jagd auf einzelnen Grundstücken oder die Bildung freiwilliger Jagdgenossenschaften wären nicht gleich effektiv zur Erreichung der gesetzgeberischen Ziele. Diese erschöpfen sich nicht in der Ermöglichung der Jagdausübung und der Vermeidung von Wildschäden, sondern umfassen – wie dargelegt - auch Gesichtspunkte des Naturschutzes, der Landschaftspflege und des Tierschutzes. Angesichts der Vielfalt dieser Regelungsbereiche durfte der Gesetzgeber eine vollkommen staatsfreie Organisation des Jagdwesens für nicht gleich geeignet halten. Zu Recht hat daher auch das Bundesverwaltungsgericht festgestellt, dass die Jagd auf staatliche Ordnung und Aufsicht angewiesen ist. Der Gesetzgeber durfte ferner im Rahmen des ihm zustehenden weiten Einschätzungsspielraums annehmen, dass die Zwecke des Jagdrechts einschließlich der Hege am besten in grundstücksübergreifender Weise verwirklicht werden können.
Würde man einzelnen oder allen Eigentümern das Jagdrecht zur freien Ausübung belassen, bedürfte es - um die genannten Jagd- und Hegeziele zu erreichen – eines voraussichtlich erheblich höheren Regelungs- und Überwachungsaufwands durch den Staat, als dies gegenwärtig gegenüber den auch selbstverwaltend tätigen Jagdgenossenschaften der Fall ist. Ein solches System dürfte zumindest nicht geringere Belastungen des Grundeigentums mit sich bringen als das gegenwärtige.“
Das Bundesverfassungsgericht reduziert demnach die Prüfung der Erforderlichkeit der gesetzlichen Regelungen auf die Verkündung eines immer wiederkehrenden allgemeinen Postulats, ohne nach Wegen zu fragen und zu suchen, die konkrete Grundrechtseingriffe vermeiden oder wenigstens mildern könnten, ohne dass dabei das Gesamtsystem der Jagd ins Wanken gerät.
Dabei drängen sich andere Mittel geradezu auf. In anderen Rechtsbereichen sind diese gesetzgeberischen Mittel weit verbreitet. Ich spreche von einem generellen Zwang mit Befreiungsvorbehalt. Der Zwang zur Mitgliedschaft in einer Jagdgenossenschaft ohne Befreiungsvorbehalt ist nämlich gewiss nicht erforderlich, um die gesetzgeberischen Ziele zu erreichen. Ein Zwang zur Mitgliedschaft mit Befreiungsvorbehalt wäre völlig ausreichend gewesen: Was abstrakt-generell richtig sein mag, lässt auch Ausnahmen zu, wenn hierdurch Grundrechtseingriffe vermieden oder abgemildert werden können, ohne dass das Gesamtsystem damit wesentlich beeinträchtigt wird.
Für diesen Gesichtspunkt - der vor allem auch bei der Verhältnismäßigkeitsprüfung i.e.S. zum Tragen kommt - bleibt bei der herrschenden Rechtsauffassung kein Raum, nach der die Effektivität der Jagd als selbstverständliches Postulat gilt und die für die Überlegung wenig übrig hat, was passieren würde, wenn man das Wild wenigstens teilweise sich selbst überlassen würde, sodass die Populationen von natürlichen Einflüssen, wie Futterknappheit, Witterung und Krankheit reguliert würden. Es ist also nicht möglich, sich länger durch generalisierende Postulate, die in sich fragwürdig und untereinander zum Teil widersprüchlich sind, die Darlegungs- und Beweislast für die Rechtfertigung jagdrechtlicher Grundrechtseinschränkungen so leicht zu machen wie bisher, indem man die Jagdpflicht abstrakt-generell und flächendeckend für unausweichlich erklärt, anstatt zu fragen, welche Folgen es hätte, wenn der eine oder andere überzeugte ethische Tierschützer seine Fluren der Jagdgenossenschaft verweigern dürfte, nicht um darauf selbst zu jagen, sondern weil er als ethischer Tierschützer überhaupt nicht jagen will und vor allem nicht jagen lassen will.
Wenn nach Rechtsprechung den Bundesverfassungsgerichts und dem geltenden Tierschutzgesetz ein muslimischer Metzger ausnahmsweise eine verbotene Tiertötung (Schächten) aus Gewissens- oder Glaubensgründen vornehmen darf, so muss es einem ethischen Tierschützer erst Recht gestattet sein, mit der Befreiung vom generellen Zwang der Pflichtmitgliedschaft in der Jagdgenossenschaft eine Ausnahme von der Regel zu erhalten, damit auf seinem Grund und Boden keine Tiere von Jägern getötet werden.
Ein Zwang zur Mitgliedschaft mit Befreiungsvorbehalt (z.B. für ethische Tierschützer) wäre daher völlig ausreichend gewesen, um eine anarchische Jagd in der Bundesrepublik Deutschland zu vermeiden.
Die Argumentation des Bundesverfassungsgerichtes nach dem Motto „hopp oder topp“ ist daher völlig ungeeignet, die Erforderlichkeit der gesetzlichen Regelungen zu begründen. Offenbar verkennt das Gericht dabei glatt, dass es sich bei dem zu entscheidenden Fall nicht mit einer konkreten Normenkontrolle auseinander zu setzen hatte, sondern mit einer Verfassungsbeschwerde, die eingelegt wurde, um in einem Einzelfall die Befreiung von der Regel zu erhalten. Es ging also nicht darum, das gesamte System der Jagd in Frage zu stellen.
Wäre der Gesetzgeber den langjährigen Forderungen von ethischen Tierschützern auf Befreiung vom Jagdzwang nachgekommen, indem er eine Befreiungsmöglichkeit in das Bundesjagdgesetz aufgenommen hätte, könnte das Reviersystem vermutlich auch noch in der Zukunft Bestand haben. In ihrer gegenwärtigen Form sind die gesetzlichen Regelungen jedoch sowohl verfassungswidrig als auch menschenrechtswidrig. Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte wird daher das deutsche Reviersystem kippen – eben weil keine Befreiungstatbestände vorgesehen sind.
Dieser Ansicht ist offenbar auch der in dieser Schrift bereits zitierte Rechtsexperte der Jägerschaft, Univ.-Prof. Dr. Johannes Dietlein, der im Rahmen eines Beitrags zur Debatte um die Verwaltungsreform in Rheinland-Pfalz schreibt:
„Die organisationsrechtlichen Alternativen könnten zudem durch die Aufhebung des Revierprinzips flankiert werden.“
Selbst das luxemburgische System der Jagdsyndikate, welches vom Gerichtshof für menschenrechtswidrig erklärt wurde, sieht im Gegensatz zum deutschen Jagdrecht die Möglichkeit des einzelnen „Jagdgenossen“ vor, der Verpachtung des eigenen Grundstückes an einen Jäger zu widersprechen. Über diesen Widerspruch entscheidet das Jagdsyndikat durch Beschluss. Stimmen zwei Drittel für den Widerspruch, wird die Fläche des „Jagdgenossen“ aus dem Jagdgebiet herausgenommen.
Dies reichte dem Gerichtshof in seiner Verhältnismäßigkeitsprüfung jedoch nicht aus. Das Gerichtshof führt hierzu aus (EGMR-Urteil vom 10.07.2007, a.a.O.):
„In dieser Hinsicht konnte das Argument der Regierung, nach der die Eigentümer über eine Möglichkeit verfügen, gegen die „Verpachtung“ der Jagd zu stimmen und somit das Nicht-Ausüben des Jagdrechts auf ihrem Grundstück zu erreichen, vor allem angesichts der wachsenden Zahl von ethischen Jagdgegnern das Gericht nicht überzeugen. Wenn tatsächlich eine Entscheidung zur „Nicht-Verpachtung“ theoretisch möglich ist, wäre diese an die Bedingung einer qualifizierten Mehrheit gebunden, so wie es im Abschnitt 2 des Artikels 1 des Gesetzes von 1925 vorgesehen ist. Nun geht aber aus den bisherigen Entwicklungen, vor allem aus dem Urteil des Verwaltungsgerichts vom 18. Dezember 2003 hervor, dass die Wahrscheinlichkeit einer Entscheidung zur „Nicht-Verpachtung“ relativ klein ist, sofern zahlreiche Eigentümer nicht an der Abstimmung des Syndikats teilnehmen und somit schließlich zur Aufrechterhalten der „Verpachtung“ hinzugezählt werden (s. Paragraf 23 oben). Die tatsächlichen Möglichkeiten für die Antragstellerin, ein Nicht-Ausüben des Jagdrechtes auf ihrem Grundstück zu erreichen, sind somit quasi gleich null, wie sich übrigens im Ausgang der Abstimmung des Syndikats, dem sie angehört, zeigte (s. Paragraf 9 oben).“
Im Gegensatz hierzu sieht das deutsche Reviersystem überhaupt keine Ausnahmen zugunsten des einzelnen Jagdgenossen vor. Wie soll dieses Gesetz vor dem Europäischen Gerichthof für Menschenrechte Bestand haben?
Nach all dem kann festgehalten werden, dass es ebenso geeignete und mildere Mittel gibt, die das flächendeckende System der Jagdgenossenschaften nicht gefährden würden. Selbst wenn man davon ausginge, dass sich ein paar Hundert ethische Tierschützer vom Zwang der Mitgliedschaft in Jagdgenossenschaften befreien ließen, würde dies eine bundesweite „Hege mit der Büchse“ ganz sicher nicht gefährden. Sollte es sich ein ethischer Tierschützer anders überlegen und die Jagd auf seinen Grund und Boden ausüben, würden die Tatbestandsvoraussetzungen für die Befreiung wieder entfallen und der Grundstückseigentümer würde wieder zwangsweises Mitglied in der Jagdgenossenschaft werden. Da Wild bekanntlich vor Grundstückgrenzen nicht Halt macht, ist es für die bundesweite Bestandsregulierung auch ganz sicher nicht notwendig, flächendeckend zu jagen. Es gibt genug Flächen – auch im Außenbereich - die nicht bejagt werden – aus welchen rechtlichen oder tatsächlichen Gründen auch immer.
Mittlerweile ziehen selbst Jäger Ruhezonen von jeweils 100 Hektar in Betracht (vgl. DJZ, Ausgabe 8/2007):
„Ruhezonen sind ein Teilaspekt moderner und artgerechter Rotwildbewirtschaftung. Und wenn dort tatsächlich Ruhe herrscht, kann mit ihnen - zumindest gebietsweise – der Wald-Wild-Konflikt erheblich entschärft werden.“
Wenn somit von Jägern Ruhezonen von mehreren hundert Hektar als richtungsweisend angesehen werden, dann können doch die bescheidenen 0,78 Hektar des Klägers nicht entscheidend für das Nichterreichen von Hegezielen im gesamten Jagdrevier sein.
Elementare Sachzwänge, die dazu führen, dass ausgerechnet auf der Fläche des Klägers gejagt werden muss, gibt es demnach nicht.
Und noch ein wichtiger Punkt kommt hinzu:
Mit der Föderalismusreform hat der Bundesgesetzgeber gezeigt, dass er ein bundesweit einheitliches Jagdsystem nicht mehr für erforderlich hält. Er hat nämlich den Ländern mit einer Grundgesetzänderung die Möglichkeit eingeräumt, vom Bund abweichende Regelungen zum Jagdrecht zu treffen, vgl. Art 72 Abs. 3 Nr. 1 GG.
Ein Bundesland könnte daher von heute auf morgen die Zwangsmitgliedschaft mit einem Befreiungsvorbehalt versehen oder sogar ganz abschaffen.
Wenn somit der Gesetzgeber mit der Föderalismusreform gezeigt hat, dass er eine bundesweit gleichgeschaltete Bejagung der Grundstücke nicht mehr für erforderlich hält, können die Gerichte nicht mehr argumentieren, dass die flächendeckende Bejagung im gesamten Bundesgebiet der Wertentscheidung des Gesetzgebers entspricht und ihm bei dieser Entscheidung ein großer Ermessensspielraum zusteht. Dem ist seit der Föderalismusreform nicht mehr so, auch das verkennt das Bundesverfassungsgericht völlig.
Die Ausführungen des höchsten deutschen Gerichtes zur Erforderlichkeit der Zwangsmitgliedschaft, wohlgemerkt ohne Befreiungsvorbehalt, sind ganz nebenbei erwähnt auch eine Bankrotterklärung jeder freiheitlichen Demokratie: Denn ganz unabhängig davon, dass die Jagdgenossenschaften freilich nur die Beziehungen zu ihren Mitgliedern regeln, den Pachtvertrag mit dem Jagdausübungsberechtigten abschließen und mitnichten an der Erreichung der in § 1 Abs. 1 BJagdG normierten Ziele wesentlich mit eingebunden sind (diese regeln beinahe ausschließlich die Revierpächter), geht das Gericht wie selbstverständlich davon aus, dass die gesetzgeberischen Ziele nur von einer sich selbstverwaltenden („pseudo“)öffentlich-rechtlichen Körperschaft (dazu später) oder eben vom Staat direkt geregelt werden können.
Nach Ansicht des Gerichts soll es also einmal mehr mit dem Grundgesetz vereinbar sein, dass Freiheitsrechte des Bürgers beschnitten werden und die Verantwortung von ihm weg auf Körperschaften delegiert wird, die jene Verantwortung nicht etwa an Profis sondern an Hobbyjäger verpachten, die diesen „Sport“ in ihrer Freizeit betreiben und sich dabei selbst in Form der Jagdbehörden kontrollieren. Nüchtern betrachtet, hätte dieses System zur Erreichung der in § 1 Abs. 1 BJagdG normierten Ziele schon längst für verfassungswidrig erklärt werden müssen. Um eine derartige Gesetzgebung über Jahrzehnte eisern verteidigen zu können, bedarf es somit einer starken Lobby.
Als Zwischenergebnis kann somit festgehalten werden, dass die im Streit befindlichen Regelungen des Bundesjagdgesetzes nicht erforderlich sind, weil mildere Mittel zur Verfügung stehen, die ebenso geeignet sind, die gesetzgeberischen Ziele zu erreichen.
Als mildere Mittel kommen in Betracht:
- Ein genereller Zwang zur Mitgliedschaft in einer Jagdgenossenschaft (= Regel) mit Befreiungsvorbehalt z.B. für ethische Tierschützer (= Ausnahme). Dieser Variante bedient sich Frankreich aufgrund des Urteils des Gerichtshofs von 1999.
- Ein unbedingter Zwang zur Mitgliedschaft in einer Jagdgenossenschaft mit Widerspruchsrecht des Jagdgenossen z.B. aus ethischen Gründen.
- Mitbestimmungsrechte des Jagdgenossen dahingehend, dass er das Ruhen der Jagd auf seinem Grundstück z.B. aus ethischen Gründen durchsetzen kann.
Weitere mildere und ebenso geeignete Mittel ließen sich leicht finden.
Als Zwischenergebnis kann somit insgesamt festgehalten werden, dass nicht nur an der Geeignetheit, sondern auch an der Erforderlichkeit der im Streit befindlichen gesetzlichen Regelungen des Bundesjagdgesetzes stark gezweifelt werden darf, was vor allem bei der nun folgenden Verhältnismäßigkeitsprüfung i.e.S. zum Tragen kommen wird.
3) Verhältnismäßigkeit des Eingriffs
Letztendlich muss nicht entschieden werden, ob die Regelungen des Bundesjagdgesetzes über die Bildung von gemeinschaftlichen Jagdbezirken (§ 8 Abs. 1) und von Jagdgenossenschaften (§ 9 Abs. 1) und über die Übertragung des Jagdausübungsrechts auf die Jagdgenossenschaften (§ 8 Abs. 5) ohne Befreiungsvorbehalt geeignet und erforderlich sind. Diese Regelungen sind jedenfalls unter Berücksichtigung der ständigen Rechtssprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte bereits auf dem ersten Blick unverhältnismäßig und verletzen daher den Kläger in seinem subjektiven Recht aus Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG.
Die zwangsweise Abtretung des Jagdausübungsrechts führt bei dem Kläger in seiner Eigenschaft als ethischer Tierschützer eine Situation herbei, in der kein angemessener Ausgleich zwischen dem Schutz des Eigentumsrechts und den Erfordernissen des Allgemeininteresses mehr gegeben ist. Dies unterstreicht der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte in seiner ständigen Rechtssprechung.
Der Gerichtshof führt dazu in seinem an Frankreich gerichteten Urteil vom 29. April 1999 - Gesuche 25088/94, 28331/95, 28443/95 - Chassagnou u.a. ./. Frankreich, aus:
„Der Gerichtshof kommt zu dem Ergebnis, dass die mit der Verabschiedung des Gesetzes von 1964 verfolgten Ziele damals zwar legitim waren, das darin vorgesehene System der Zwangsabtretung des Jagdrechts aber für die Beschwerdeführer eine Situation herbeiführt, in der kein angemessener Ausgleich zwischen dem Schutz des Eigentumsrechts und den Erfordernissen des Allgemeininteresses mehr gegeben ist. Werden nämlich Eigentümer kleiner Grundstücke gezwungen, ihr Jagdrecht auf ihrem Grund abzutreten, damit Dritte von diesem Recht in einer Weise Gebrauch machen können, die den Überzeugungen der Eigentümer völlig zuwiderläuft, so stellt dies eine unverhältnismäßige Last dar, die unter dem Blickwinkel von Artikel 1 Unterabsatz 2 des Protokolls Nr. 1 nicht gerechtfertigt ist. Diese Bestimmung ist demnach verletzt worden.“
Fast zehn Jahre später hält der Gerichtshof eindrucksvoll an dieser Rechtssprechung fest. In seinem an Luxemburg gerichteten Urteil vom 10.07.2007 – Gesuch 2113/04 - Schneider ./. Luxemburg, führt der Gerichtshof aus:
“Diese Elemente genügen dem Gericht, um zu dem Schluss zu kommen, dass, auch wenn die angestrebten Ziele des Gesetzes von 1925 zum Zeitpunkt seiner Verabschiedung legitim waren, das darin vorgesehene System der Zwangszugehörigkeit zu einem Jagdsyndikat, dazu führt, die Beschwerdeführerin in eine Situation zu bringen, die das zuvor geherrschte, angemessene Gleichgewicht zwischen dem Schutz des Eigentumsrechts und den Forderungen des Allgemeininteresses zerstört: eine kleine Eigentümerin zu verpflichten, ihr Jagdrecht auf ihrem Grundstück zur Verfügung zu stellen, damit Dritte davon in einer Weise Gebrauch machen, die ihren Überzeugungen völlig zuwiderläuft, so stellt dies eine unverhältnismäßige Belastung dar, die nicht mit dem zweiten Abschnitt des Artikels 1 des Protokolls Nr. 1 gerechtfertigt ist. Es handelt sich also um eine Verletzung dieser Bestimmung.“
Versucht man diese Überlegungen des Gerichtshofs in die deutsche Grundrechtsdogmatik einzubetten, muss man sich vergegenwärtigen, dass der angemessene Ausgleich, den der Gerichtshof sucht und vermisst, nicht etwa das Pendant zur Entschädigung gem. Art. 14 Abs. 3 GG ist, sondern lediglich ein Bestandteil der allgemeinen Verhältnismäßigkeitsprüfung, in der nach dem Konventionsrecht die Frage des ob und der Höhe einer Entschädigung aufgeht. Diese Vergegenwärtigung ist zwingend notwendig, da der Gerichtshof sowohl bei der für Jagdgegner entschädigungslosen Abtretung des Jagdrechts in Frankreich als auch bei der Abtretung des Jagdausübungsrechts mit einer damit verbunden Auskehrung eines anteiligen Pachterlöses - wie in Luxemburg und Deutschland - die Unverhältnismäßigkeit des Eingriffs bejaht hat (siehe oben).
Dem Gerichtshof kam es dabei nicht darauf an, ob mit der Zwangsabtretung ein vermögensrechtlicher Ausgleich erfolgte. Vielmehr kam es ihm auf eine grundsätzliche Wertentscheidung in einer demokratischen Gesellschaft an, nämlich,
„dass kleine Eigentümer nicht dazu verpflichtet werden können, das Jagdrecht auf ihrem Land zu übertragen, damit Dritte davon einen Gebrauch machen, der den Überzeugungen der Eigentümer völlig widerspricht. Nach Auffassung des Gerichtshofes erweise sich dies als unverhältnismäßige Belastung, der nicht durch den 2. Abs. v. Art. 1 Zusatzprotokoll gerechtfertigt ist. Folglich sei diese Vorschrift verletzt" (vgl. EGMR-Urteile, a.a.O.).
In diesem Kontext des Übermaßverbotes ist es daher auch völlig irrelevant, wie die einzelnen Jagdgesetzgebungen in Luxemburg, Frankreich und Deutschland ausgestattet sind. Es ist irrelevant, ob die Jagdvereinigungen wie in Luxemburg und Deutschland flächendeckend gelten, oder wie in Frankreich nur Teile des Landes betreffen. Es ist irrelevant, ob wie in Luxemburg und Deutschland ein vermögensrechtlicher Ausgleich für Jagdgegner erfolgt, oder ob es wie in Frankreich an einem Ausgleich fehlt. Es ist schließlich auch völlig irrelevant, was das gesetzgeberische Ziel der Zwangsabtretung ist, weil der Gerichtshof in seiner neuen Entscheidung hervorgehoben hat, dass die Regelung, egal, wie legitim sie bei ihrem Inkrafttreten auch gewesen sein mag, einen derartiger Eingriff schlichtweg nicht rechtfertigen kann.
Spätestens nach der Entscheidung des Gerichtshofs zum luxemburgischen Jagdrecht ist daher das deutsche Reviersystem mit der zwangsweise Abtretung des Jagdausübungsrechts sowie der zwangsweisen Eingliederung in Jagdgenossenschaften ohne Befreiungsvorbehalt nicht mehr mit Art. 14 GG zu vereinen. Dies deshalb, weil die vom Gerichtshof in seiner Abwägung berücksichtigten Aspekte in die rechtliche Würdigung, namentlich in die Verhältnismäßigkeitsprüfung, einzubeziehen sind und eine Auseinandersetzung mit den vom Gerichtshof gefundenen Abwägungsergebnissen stattzufinden hat (vgl. Beschluss der 1. Kammer des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts vom 1. März 2004 – 2 BvR 1570/03 –, NVwZ 2004, S. 852 <853>; BVerfGE 111, 307 <324>;)
Dabei wird im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung zu berücksichtigen sein, dass sämtliche Thesen zur Frage, ob die französische Rechtslage mit der deutschen vergleichbar ist, nach dem Urteil zum luxemburgischen Recht nicht mehr tragfähig sind, weil die Gesetzgebung in Luxemburg (vgl. hierzu insbesondere die Vorüberlegung unter I.)
- dasselbe gesetzgeberische Ziel verfolgt wie in Deutschland,
- flächendeckend gilt wie in Deutschland sowie
- dem Eigentümer einen anteiligen Pachterlös zuspricht wie in Deutschland.
In diesem Zusammenhang wird im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung vor allem auch zu berücksichtigen sein, dass das luxemburgische Recht im Gegensatz zum deutschen ein Widerspruchsrecht des einzelnen „Jagdgenossen“ vorsieht und damit noch wesentlich verhältnismäßiger ist und dennoch vom Gerichtshof für unverhältnismäßig erklärt wurde (vgl. hierzu S. 37 ff.).
Ferner wird im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung zu berücksichtigen sein, dass weder der einzelne Jagdgenosse noch die Versammlung der Genossen Mitwirkungs- oder Stimmrechte über wesentliche Belange des Jagdausübungsrechts haben. Deutlich wird dies im Falle der Abschussplanung im Sinne des § 21 Abs. 2 BJagdG. In gemeinschaftlichen Jagdbezirken wird der Abschussplan vom Jagdausübungsberechtigten im Einvernehmen mit dem Jagdvorstand vorgenommen. Diese wichtige Angelegenheit bedarf somit nicht einmal der Beschlussfassung durch die Jagdgenossenschaft. Ein Beschluss der Versammlung der Jagdgenossen wäre für den Jagdvorstand, der nach der Mustersatzung und nach dem Gesetz allein zuständig ist, nicht bindend. Der einzelne Jagdgenosse hat somit lediglich das Recht, gegen die Abschussplanentscheidung Widerspruch einzulegen und ggf. vor dem Verwaltungsgericht Klage zu erheben, aber nur, falls er eine Eigentumsverletzung nach Art. 14 GG durch einen zu niedrigen Abschuss geltend machen kann (vgl. BVerwG, U. v. 30.03.1995 - 3 C 8/94 -, NVwZ 1995, 1200).
Es muss daher insbesondere auch in der Verhältnismäßigkeitsprüfung berücksichtigt werden, dass ethische Tierschützer im Bezug auf ihr Eigentum über kein befriedigendes Recht verfügen, Einfluss auf die Abschussplanungen zu nehmen.
Weiterhin wird im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung zu berücksichtigen sein, dass der Bundesgesetzgeber mit der Föderalismusreform gezeigt hat, dass er ein bundesweit einheitliches Jagdsystem nicht mehr für erforderlich hält, indem er den Ländern mit einer Grundgesetzänderung die Möglichkeit eingeräumt hat, eigene und vom Bundesjagdgesetz abweichende Regelungen zum Jagdwesen zu treffen, vgl. Art 72 Abs. 3 Nr. 1 GG (vgl. hierzu S. 40-41).
Zudem wird im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung zu berücksichtigen sein dass an der Geeignetheit und Erforderlichkeit der im Streit befindlichen Regelungen stark gezweifelt werden darf (vgl. hierzu S. 23 ff.).
In diesem Zusammenhang wird weiterhin im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung zu berücksichtigen sein, dass mit dem generellen Zwang zur Mitgliedschaft in einer Jagdgenossenschaft (= Regel) mit Befreiungsvorbehalt (= Ausnahme), oder mit einem unbedingten Zwang zur Mitgliedschaft in einer Jagdgenossenschaft mit Widerspruchsrecht des einzelnen Jagdgenossen, oder eben mit einem Mitbestimmungsrecht des Jagdgenossen dahingehend, dass er das Ruhen der Jagd auf seinem Grundstück durchsetzen kann, ebenso geeignete und dabei wesentlich mildere Mittel zur Verfügung stehen, die das Reviersystem nicht gefährden und die gesetzgeberischen Ziele ebenso gut verwirklichen würden (vgl. hierzu S. 42 ff.).
Ferner wird im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung zu berücksichtigen sein, dass es ganz gewiss nicht erforderlich ist, die Jagd ausgerechnet auf dem Grundstück des Klägers auszuüben (vgl. hierzu S. 39).
Nach all dem kann eine rechtlich einwandfreie Verhältnismäßigkeitsprüfung nur zu dem Ergebnis gelangen, dass die Regelungen des Bundesjagdgesetzes über die Bildung von gemeinschaftlichen Jagdbezirken (§ 8 Abs. 1) und von Jagdgenossenschaften (§ 9 Abs. 1) und über die Übertragung des Jagdausübungsrechts auf die Jagdgenossenschaften (§ 8 Abs. 5) ohne Befreiungsvorbehalt in diesem Einzelfall unverhältnismäßig sind und keine zulässige Inhalts- und Schrankenbestimmung des Eigentums im Sinne des Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG darstellen.
Der Kläger ist daher in seinem subjektiven Recht aus Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG verletzt.
Dem Klageantrag ist aus diesem Grund stattzugeben.
b. Verletzung des Art. 9 Abs. 1 GG, hilfsweise Art. 2 Abs. 1 GG
Die Regelungen des Bundesjagdgesetzes über die Bildung von gemeinschaftlichen Jagdbezirken (§ 8 Abs. 1) und von Jagdgenossenschaften (§ 9 Abs. 1) und über die Übertragung des Jagdausübungsrechts auf die Jagdgenossenschaften (§ 8 Abs. 5) ohne Befreiungsvorbehalt verstoßen sowohl gegen die negative Vereinigungsfreiheit des Klägers nach Art. 9 Abs. 1 GG als auch gegen dessen allgemeine Handlungsfreiheit nach Art. 2 Abs. 1 GG.
Dabei kann letztendlich dahinstehen, ob die im Streit befindlichen Vorschriften geeignet und erforderlich sind, was vom Kläger ausdrücklich bestritten wird. Die Anwendung der entsprechenden Vorschriften sind im vorliegenden Einzelfall offensichtlich unverhältnismäßig und verletzen somit den Kläger in seinen subjektiven Rechten.
aa. Eröffnung des Schutzbereiches
Nach Ansicht des Bundesverfassungsgerichts ist der Schutzbereich der durch Art. 9 Abs. 1 GG geschützten negativen Vereinigungsfreiheit schon nicht berührt, weil die negative Vereinigungsfreiheit nur das Recht umfasse, privatrechtlichen Vereinigungen fernzubleiben (vgl. Beschluss des BVerfG vom 13.12.2006, a.a.O.).
Das Bundesverfassungsgericht führt hierzu in seinem vorgenannten Beschluss wie folgt aus:
„Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverfassungs-gerichts garantiert die Vereinigungsfreiheit nur das Recht, privatrechtliche Vereinigungen zu gründen, ihnen beizutreten oder fernzubleiben (BVerfGE 10, 89 <102>; 15, 235 <239>; 38, 281 <297 f.>). Eine Anwendung des Grundrechts auf öffentlich-rechtliche Zwangszusammenschlüsse scheidet aus. Dies folgt nicht zuletzt aus der Entstehungsgeschichte des Art. 9 Abs. 1 GG (BVerfG, 2. Kammer des Ersten Senats, Beschluss vom 7. Dezember 2001 - 1 BvR 1806/98 -, NVwZ 2002, S. 335 <336>).
Diese Auslegung begegnet auch unter Berücksichtigung des Urteils des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte keinen Bedenken. Der Gerichtshof hat darauf hingewiesen, dass der konventionsrechtliche Vereinigungsbegriff nicht nach Maßgabe des Rechts der Vertragsstaaten ausgelegt werden könne. Insofern sei nicht entscheidend, ob das jeweilige nationale Recht eine Vereinigung als öffentlich-rechtlich bezeichne; vielmehr komme es darauf an, ob sie in staatliche Strukturen eingebettet sei, etwa Verwaltungsrechte, Rechte zum Normerlass oder Disziplinarrechte genieße und die Verfahrensweisen der öffentlichen Gewalt benutze (EGMR, Urteil vom 29. April 1999, a.a.O., Rn. 100 bis 102). Das Bundesverwaltungsgericht hat demgegenüber im angefochtenen Urteil auf die öffentlich-rechtlichen Befugnisse der Jagdgenossenschaft nach deutschem Jagdrecht hingewiesen und gestützt hierauf in verfassungsrechtlich nicht zu beanstandender Weise eine Umgehung der Konventionsfreiheiten und die Anwendbarkeit des Art. 9 Abs. 1 GG folgerichtig verneint. Der Pflicht zur Berücksichtigung der Europäischen Menschenrechtskonvention und der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte einschließlich des von ihm gefundenen Abwägungsergebnisses (BVerfGE 111, 307 <317 ff.>) hat das Bundesverwaltungsgericht damit genügt.“
Das Bundesverwaltungsgericht führt in der vom Bundesverfassungsgericht genannten Entscheidung aus (vgl. BVerwG, Urteil vom 14. 4. 2005 - 3 C 31. 04):
„Anhaltspunkte für eine vom Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte befürchtete Umgehung der Konventionsfreiheiten sind nicht ersichtlich. Die Jagd-genossenschaft wird in § 7 Abs. 1 Satz 1 LJG Rh.-Pf. nicht nur formell als Körperschaft des öffentlichen Rechts bezeichnet. Sie hat auch materiell betrachtet öffentlich-rechtliche Befugnisse. Hierzu zählt insbesondere die Normsetzungskompetenz in Gestalt der Satzungsbefugnis. Auch ergehen ihre Umlageforderungen als Hoheitsakte, die nach dem Verwaltungsvollstreckungsgesetz vollstreckt werden, so dass eine hinreichende Eingliederung in den staatlichen Bereich vorliegt.“
Ganz im Gegensatz hierzu führt der Europäische Gerichtshof für Menschenrecht in seinem Urteil vom 10.07.2007 – Gesuch 2113/04 - Schneider ./. Luxemburg - zum luxemburgischen Recht aus (Rn. 72-73):
„Es ist richtig, dass die Jagdsyndikate durch den Gesetzgeber gewollt sind, und dass sie keine Vereinigungen im Sinne des Gesetzes für privatrechtliche Vereine darstellen. Tatsache ist jedoch, dass die Syndikate aus Grundbesitzern bestehen, d. h. aus Privatpersonen, die sich regelmäßig versammeln, um über das «Verpachten» oder «Nicht-Verpachten» des Jagdrechts an bestimmte Jäger z
entscheiden, die entweder Ersteigerer oder bisherige Mieter sind.
Ebenso reicht es nicht aus, dass der Betrieb der Jagdsyndikate vom Innenminister überwacht wird, um zu behaupten, sie würden zu den Strukturen des Staates zählen (mutatis mutandis, Chassagnou oben benannt, §101). Ebenso kann nicht behauptet werden, dass die Jagdsyndikate, unter Berufung auf das Gesetz von 1925, horrende Vorrechte gegenüber dem allgemeinen Recht, sowohl administrativer, wie normativer oder disziplinarischer Art, genießen, oder dass sie Verfahren der öffentlichen Hand benutzen, wie es z. B. die Berufskammern tun.“
Zwar ist es richtig, dass die Umlagen der Jagdgenossenschaft nach dem Verwaltungsvollstreckungsgesetz vollstreckt werden können. Damit hören jedoch die von dem Gerichtshof geforderten „horrenden Vorrechte gegenüber dem allgemeinen Recht, sowohl administrativer, wie normativer oder disziplinarischer Art“ schon auf.
Die vom Bundesverwaltungsgericht besonders hervorgehobene „Normsetzungskompetenz in Gestalt der Satzungsbefugnis“ hebt die Jagdgenossenschaft nicht von einem privatrechtlichen Verein ab, weil auch dieser die Kompetenz, ja sogar die Pflicht zur Normsetzung in Form einer Satzung hat.
Andere „horrende Vorrechte“, die z.B. die Berufskammer haben, sind nicht ersichtlich.
Die deutsche Rechtssprechung sollte daher zu Kenntnis nehmen, dass der Gerichtshof in seiner Entscheidung vor allem darauf abgestellt hat, „dass die Syndikate aus Grundbesitzern bestehen, d. h. aus Privatpersonen, die sich regelmäßig versammeln, um über das «Verpachten» oder «Nicht-Verpachten» des Jagdrechts an bestimmte Jäger zu entscheiden, die entweder Ersteigerer oder bisherige Mieter sind“ (......).
Auch in Deutschland erschöpfen sich die Rechte der Jagdgenossenschaft im wesentlichen auf die Verpachtung des gemeinschaftlichen Jagdreviers. Zwar heißt es in der Mustersatzung des Bayerisches Staatsministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten für Jagdgenossenschaften unter „Aufgaben“:
„Die Jagdgenossenschaft verwaltet unter eigener Verantwortung nach den Grundsätzen der Wirtschaftlichkeit alle Angelegenheiten, die sich aus dem Jagdrecht der ihr angehörenden Jagdgenossen ergeben. Sie hat insbesondere die Aufgabe, das ihr zustehende Jagdausübungsrecht im Interesse der Jagdgenossen zu nutzen und für die Lebensgrundlagen des Wildes in angemessenem Umfang und im Rahmen ihrer Leistungsfähigkeit zu sorgen. Ihr obliegt nach Maßgabe des § 29 Abs. 1 BJagdG der Ersatz des Wildschadens, der an den zum Gemeinschaftsjagdrevier gehörenden Grundstücken entsteht.“
So schaut jedoch nur die Theorie aus, denn in der Praxis wird das vollständige Jagdausübungsrecht in der Regel an einen Jagdausübungsberechtigten verpachtet, so dass sich die Aufgabe der Jagdgenossenschaft letztendlich wie in Luxemburg auf die Verpachtung des gemeinschaftlichen Jagdreviers reduziert.
Es sind daher ausreichend Anhaltspunkte gegeben, dass auch hinsichtlich der deutschen Jagdgenossenschaften eine vom Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte in Frankreich und Luxemburg festgestellte Umgehung der Konventionsfreiheiten durch den Gesetzgeber vorliegt.
Im Kontext dieses Umgehungsverbotes muss daher davon ausgegangen werden, dass der Schutzbereich des Art. 9 Abs. 1 GG eröffnet ist.
bb. Eingriff in den Schutzbereich
Die Regelungen des Bundesjagdgesetzes über die Bildung von gemeinschaftlichen Jagdbezirken (§ 8 Abs. 1) und von Jagdgenossenschaften (§ 9 Abs. 1) und über die Übertragung des Jagdausübungsrechts auf die Jagdgenossenschaften (§ 8 Abs. 5) ohne Befreiungsvorbehalt stellen einen Eingriff in den Schutzbereich der negative Vereinigungsfreiheit dar.
Der Europäische Gerichtshof für Menschenrecht führt hierzu in seiner Entscheidung zum luxemburgischen Recht aus (EGMR-Urteil vom 10.07.2007, a.a.O., Rn. 75):
„Das Gericht ist der Auffassung, dass es keinen Zweifel gibt, dass die Verpflichtung einem Jagdsyndikat anzugehören, was der Antragstellerin, die eine ethische Gegnerin der Jagd ist, durch das Gesetz von 1925 aufgezwungen wurde, demnach als «Einmischung» in die «negative» Vereinigungsfreiheit zu verstehen ist (mutatis mutandis, Chassagnou, oben benannt, §103).
cc. Rechtfertigung des Eingriffs
Der Eingriff in den Schutzbereich des Art. 9 Abs. 1 GG bedarf einer geeigneten und erforderlichen gemeinwohlbezogenen Rechtfertigung und darf nicht unverhältnismäßig sein. Insbesondere muss das Übermaßverbot beachtet werden. In die Verhältnismäßigkeitsprüfung müssen die vom Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte in seiner Abwägung berücksichtigten Aspekte einbezogen werden. Dabei hat eine Auseinandersetzung mit den vom Gerichtshof gefundenen Abwägungsergebnissen stattzufinden (vgl. Beschluss der 1. Kammer des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts vom 1. März 2004, a.a.O.)
(1) Geeignetheit und Erforderlichkeit des Eingriffs
Hierbei kann letztendlich dahinstehen, dass der Zwang zur Mitgliedschaft in einer Jagdgenossenschaft geeignet und erforderlich ist, um die gesetzgeberischen Ziele zu erreichen.
(2) Verhältnismäßigkeit des Eingriffs
Nach Ansicht des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte geht nämlich die Zwangsmitgliedschaft in Jagdvereinigungen über das hinaus, was notwendig ist um ein gerechtes Gleichgewicht zwischen entgegengesetzten Interessen zu sichern. Weiter führt das Gericht aus, dass es in keinem Verhältnis zum angepeilten Ziel steht, wenn jemand durch das Gesetz zu einer Mitgliedschaft gezwungen wird, die den eigenen Überzeugungen zuwider ist, und ihn zu zwingen, durch diese Mitgliedschaft sein Grundstück beizusteuern, damit die betreffende Vereinigung ihre Ziele erreichen kann (vgl. EGMR-Urteil vom 10.07.2007, a.a.O., Rn. 82).
Im einzelnen führt der Gerichtshof in vorgenannter Entscheidung aus (vgl. Rn. 76-8):
„Eine solche Einmischung missachtet Artikel 11, außer wenn sie «vom Gesetz vorgesehen» und auf ein oder mehrere legitime Ziele hinsichtlich Paragraf 2 ausgerichtet und «in einer demokratischen Gesellschaft notwendig» ist, um diese Ziele zu erreichen. Das Gericht ist der Meinung, dass die Einmischung aufgrund des Artikel 1 des Gesetzes von 1925 erfolgt, der als «legitimes Ziel» verfolgt, die Sicherheit der Güter und der Menschen zu achten und eine anarchistische Praxis der Jagd zu unterbinden.
Was die «Notwendigkeit» der Einmischung betrifft, erinnert das Gericht daran, dass, um über die Notwendigkeit einer Maßnahme abzuschätzen, mehrere Prinzipien zu beachten sind. Das Wort «notwendig» ist nicht so flexibel wie z. B. die Begriffe «nützlich» oder «zweckmäßig». Des weiteren sind Pluralismus, Toleranz und Offenheit bezeichnend für eine demokratische Gesellschaft: auch wenn manchmal die Interessen der Einzelnen denen einer Gruppe unterzuordnen sind, beschränkt sich doch eine Demokratie nicht darauf, unentwegt die Meinung einer Mehrheit hochzuhalten, sondern sie fordert ein Gleichgewicht, das den Minderheiten eine gerechte Behandlung gewährleistet und jeden Missbrauch einer dominanten Stellung vermeidet. Schließlich muss die Einschränkung eines Rechtes, welches durch die Konvention geschützt ist, im Verhältnis zum angepeilten legitimen Ziel stehen (Chassagnou, oben benannt, §112; Young, James and Webster gegen Großbritannien, Beschluss vom 13. August 1981, Serie A n°44, S. 25, §63).
Das Gericht erinnert daran, dass Artikel 1 des Gesetzes von 1925 vorsieht, dass alle Eigentümer von nicht bebauten Grundstücken in einem Jagddistrikt, auf dem Land sowie im Wald gelegen, durch eben dieses Gesetz in einem Jagdsyndikat zusammengeschlossen werden. Da die Beschwerdeführerein Eigentümerin eines Grundstücks innerhalb eines Jagddistrikts ist, gehört sie obligatorisch dem jeweiligen Jagdsyndikat an, trotz der Tatsache, dass sie eine ethische Gegnerin der Jagd ist.
Es stimmt, dass in diesem Falle, im Gegensatz zum Fall Chassagnou, das von der Regierung angeführte Ziel für die begründete Einmischung nicht der Schutz der Rechte und Freiheiten der Jäger ist, sondern das der Wahrung des Eigentumsrechtes der Land- und Waldwirte, sowie eine gesunde und ökologische Verwaltung des waidmännischen Erbes. Da allerdings die Frage untersucht werden muss, ob es zu rechtfertigen ist, einen die Jagd ablehnenden Eigentümer zu zwingen, obligatorisch einem Jagdsyndikat anzugehören, berücksichtigt das Gericht folgende Punkte :
Die Antragstellerin ist ethische Gegnerin der Jagdpraxis und das Gericht ist der Ansicht, dass ihre Überzeugungen diesbezüglich einen bestimmten Grad an Kraft, an Kohärenz und an Gewicht erreichen und somit in einer demokratischen Gesellschaft Respekt verdienen (mutatis mutandis, Chassagnou, oben benannt, §114). Davon ausgehend, ist das Gericht der Meinung, dass der Zwang, welcher einer Gegnerin der Jagd angetan wird, wenn sie denn gezwungen wird, einer Jagdvereinigung anzugehören, auf den ersten Blick unvereinbar mit Artikel 11 zu sein scheint. (...)
In diesem Fall muss das Gericht feststellen, dass die Beschwerdeführerin keine vernünftige Möglichkeit hat, sich dem Beitritt zu entziehen: in der Tat ist sie laut Artikel 1 des Gesetzes von 1925 automatisch und obligatorisch Mitglied des Jagdsyndikats, in dessen Jagdrevier sich ihr Grundstück befindet. Die Betroffene betont in diesem Zusammenhang, dass wenn die Möglichkeit sich gegen das Prinzip der «Verpachtung» des Jagdrechtes auszusprechen wohl in der Theorie besteht, die Chancen ein solches Unterfangen gelingen zu sehen, quasi gleich null sind. Das Gericht hebt jedoch hervor, dass selbst wenn das Jagdsyndikat während einer Generalversammlung gegen die «Verpachtung» des Jagdrechts stimmen würde, auch wenn dies unmöglich scheint, dieses Syndikat aber als juristisches Gebilde fortbestehen würde, dessen Tätigkeit darin besteht eine nächste Generalversammlung einzuberufen, während der alle Eigentümer sich erneut für oder gegen die «Verpachtung» aussprechen werden müssen.
Dieser Umstand reicht dem Gericht, um zu schlussfolgern, dass es über das hinausgeht, was notwendig ist um ein gerechtes Gleichgewicht zwischen entgegengesetzten Interessen zu sichern und in keinem Verhältnis zum angepeilten Ziel steht, wenn jemand durch das Gesetz zu einer Mitgliedschaft gezwungen wird, die den eigenen Überzeugungen zuwider ist, und ihn zu zwingen, durch diese Mitgliedschaft sein Grundstück zuzusteuern, damit die betreffende Vereinigung ihre Ziele erreichen kann (mutatis mutandis, Chassagnou, oben benannt, §117). Daher ist das Gericht hier der Meinung, dass Artikel 11 der Konvention verletzt wurde.“
Spätestens nach der Entscheidung des Gerichtshofs zum luxemburgischen Jagdrecht ist daher das deutsche Reviersystem mit der zwangsweise Abtretung des Jagdausübungsrechts sowie der zwangsweisen Eingliederung in Jagdgenossenschaften ohne Befreiungsvorbehalt nicht mehr mit Art. 9 Abs. 1 GG zu vereinen. Dies deshalb, weil die vom Gerichtshof in seiner Abwägung berücksichtigten Aspekte in die rechtliche Würdigung, namentlich in die Verhältnismäßigkeitsprüfung, einzubeziehen sind und eine Auseinandersetzung mit den vom Gerichtshof gefundenen Abwägungsergebnissen stattzufinden hat (vgl. Beschluss der 1. Kammer des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts vom 1. März 2004, a.a.O.)
Dabei wird auch hier im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung zu berücksichtigen sein, dass das luxemburgische Recht im Gegensatz zum deutschen ein Widerspruchsrecht des einzelnen „Jagdgenossen“ vorsieht und damit noch wesentlich verhältnismäßiger ist und dennoch vom Gerichtshof für unverhältnismäßig erklärt wurde (vgl. hierzu S. 37 ff.).
Weiterhin wird auch hier im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung zu berücksichtigen sein, dass der Bundesgesetzgeber mit der Föderalismusreform gezeigt hat, dass er ein bundesweit einheitliches Jagdsystem nicht mehr für erforderlich hält, indem er den Ländern mit einer Grundgesetzänderung die Möglichkeit eingeräumt hat, eigene und vom Bundesjagdgesetz abweichende Regelungen zum Jagdwesen zu treffen, vgl. Art 72 Abs. 3 Nr. 1 GG (vgl. hierzu S. 40/41).
Zudem wird im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung auch hier zu berücksichtigen sein, dass an der Geeignetheit und Erforderlichkeit der im Streit befindlichen Regelungen stark gezweifelt werden darf (vgl. hierzu S. 23 ff.).
Insbesondere wird im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung auch hier zu berücksichtigen sein, dass mit dem genereller Zwang zur Mitgliedschaft in einer Jagdgenossenschaft (= Regel) mit Befreiungsvorbehalt (= Ausnahme), oder mit einem unbedingten Zwang zur Mitgliedschaft in einer Jagdgenossenschaft mit Widerspruchsrecht des einzelnen Jagdgenossen, oder eben mit einem Mitbestimmungsrecht des Jagdgenossen dahingehend, dass er das Ruhen der Jagd auf seinem Grundstück durchsetzen kann, ebenso geeignete und dabei wesentlich mildere Mittel zur Verfügung stehen, die das Reviersystem nicht gefährden und die gesetzgeberischen Ziele ebenso gut verwirklichen würden (vgl. hierzu S. 42 ff.).
Ferner wird im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung zu berücksichtigen sein, dass weder der einzelne Jagdgenosse noch die Versammlung der Genossen Mitwirkungs- oder Stimmrechte über wesentliche Belange des Jagdausübungsrechts haben (vgl. hierzu S. 48). Es muss daher insbesondere auch in der Verhältnismäßigkeitsprüfung berücksichtigt werden, dass ethische Tierschützer über kein befriedigendes Recht verfügen, Einfluss auf die Abschussplanungen zu nehmen.
Nach all dem kann eine rechtlich einwandfreie Verhältnismäßigkeitsprüfung nur zu dem Ergebnis gelangen, dass die Regelungen des Bundesjagdgesetzes über die Bildung von gemeinschaftlichen Jagdbezirken (§ 8 Abs. 1) und von Jagdgenossenschaften (§ 9 Abs. 1) und über die Übertragung des Jagdausübungsrechts auf die Jagdgenossenschaften (§ 8 Abs. 5) ohne Befreiungsvorbehalt in diesem Einzelfall unverhältnismäßig sind und den Kläger in seinem subjektiven Recht aus Art. 9 Abs. 1 GG, bzw. aus Art. 2 Abs. 1 GG verletzen.
Dem Klageantrag ist auch aus diesem Grund stattzugeben.
c. Verletzung des Art. 4 Abs. 1 GG
Die Regelungen des Bundesjagdgesetzes über die Bildung von gemeinschaftlichen Jagdbezirken (§ 8 Abs. 1) und von Jagdgenossenschaften (§ 9 Abs. 1) und über die Übertragung des Jagdausübungsrechts auf die Jagdgenossenschaften (§ 8 Abs. 5) ohne Befreiungsvorbehalt stellen einen unverhältnismäßigen Eingriff in die Gewissensfreiheit des Klägers - einem ethischen Tierschützer – dar (Art 4 Abs. 1 GG).
aa. Eröffnung des Schutzbereiches
Vorab: Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte hielt es in den aufgeführten Entscheidungen nicht einmal für notwendig, den Fall noch gesondert unter dem Blickwinkel der Gewissensfreiheit des Artikels 9 der Konvention zu prüfen.
Hierzu führt der Gerichtshof aus (vgl. nur EGMR-Urteil vom 29. April 1999, a.a.O.).
„In Anbetracht der Ergebnisse, zu denen er in der Frage der Verletzung des Artikels 1 des Protokolls Nr. 1 und des Artikels 11 sowohl für sich genommen wie in Verbindung mit Artikel 14 der Konvention gelangt ist, hält es der Gerichtshof nicht für erforderlich, den Fall noch gesondert unter dem Blickwinkel des Artikels 9 der Konvention zu prüfen.“
Der Gerichtshof bejaht somit einen rechtswidrigen Eingriff in die Gewissensfreiheit von jagdunwilligen Grundstückseigentümern durch deren zwangsweise Mitgliedschaft in einer Jagdvereinigung und beschränkt sich hierbei auf eine Inzidentprüfung dieses vorbehaltlos gewährten Grundrechts im Rahmen der Eigentumsfreiheit und der negativen Vereinigungsfreiheit.
Die grundsätzliche Wertentscheidung des höchsten europäischen Spruchkörpers lautet dabei wie folgt (Wortlaut EGMR-Urteil vom 29. April 1999, a.a.O.; sinngemäß EGMR-Urteil vom 10.07.2007, a.a.O.):
„Wenn jemand gesetzlich dazu verpflichtet wird, einer Vereinigung beizutreten, deren Zweck seinen Überzeugungen zutiefst widerspricht, und aufgrund dieses Beitritts das Verfügungsrecht über sein Grundeigentum abtreten muss, damit die Vereinigung darauf Zielen nachgehen kann, die er missbilligt, so geht dies über das hinaus, was zur Herstellung eines angemessenen Ausgleichs zwischen widerstreitenden Interessen erforderlich ist, und steht in keinem angemessenen Verhältnis zum verfolgten Ziel.“
Der Schutzbereich der Gewissensfreiheit ist daher berührt.
bb. Eingriff in den Schutzbereich
Im Kontext dieser europäischen Grundsatzentscheidung mutet es mehr als merkwürdig an, dass nach Ansicht des Bundesverfassungsgerichtes bereits die Schutzbereichsbeeinträchtigung „zweifelhaft, jedenfalls nicht schwerwiegend“ sei.
Das Gericht führt hierzu in seinem Kammerbeschluss vom 13.12.2006 aus (vgl. Beschluss des BVerfG vom 13.12.2006, a.a.O.):
„Schon die Schutzbereichsbeeinträchtigung ist hier zweifelhaft, jedenfalls nicht schwerwiegend. Der Beschwerdeführer wird nicht gezwungen, selbst an der Jagd teilzunehmen. Er wird auch nicht gezwungen, durch eigene Entscheidungen die Jagd auf seinem Boden frei zu geben und dadurch in einen Gewissenskonflikt getrieben. Diese Entscheidung hat vielmehr der Gesetzgeber getroffen, der, wie ausgeführt, ohne Verletzung des Eigentumsgrundrechts das Jagdrecht vom Eigentum getrennt und auf die Jagdgenossenschaft übertragen hat. Auch wenn man daraus nicht schließt, dass seine Gewissensfreiheit überhaupt nicht berührt ist, wenn er verhindern will, dass auf seinem Grund und Boden gejagt wird, steht seine Gewissensentscheidung jedenfalls von vorneherein in Beziehung zu den Rechten anderer.“
Das Bundesverfassungsgericht befand somit in seiner Kammerentscheidung vom 13.12.2006, dass die Zwangsmitgliedschaft in Jagdgenossenschaften das Grundrecht auf Gewissensfreiheit der Grundstückseigentümer nicht verletze, selbst dann nicht, wenn sie aus Gewissensgründen das Töten von Tieren auf ihren Grundstücken ablehnen. Eine Verletzung dieses Grundrechts scheide aus, weil er „nicht gezwungen“ werde, „selbst an der Jagd teilzunehmen“. Er werde auch „nicht gezwungen, durch eigene Entscheidungen die Jagd auf seinem Boden freizugeben und dadurch in einen Gewissenskonflikt getrieben“.
Diese Rechtsauffassung ist nicht nachvollziehbar, denn es stellt für den Kläger als ethischen Tierschützer im Bezug auf sein Eigentum einen Gewissenkonflikt ersten Ranges dar, wenn bewaffnete Menschen sein Grundstück ohne Widerspruchsrecht betreten dürfen, um dort Tiere zu töten. Es stellt einen schweren Gewissenkonflikt dar, wenn Jäger auf seinem Grundstück mehrere Meter hohe, an KZ-Türme erinnernde Schießplattformen errichten dürfen und dort die Wildtiere mit (oft rechtswidrigen) Futterbergen anlocken, um sie besser erschießen zu können. Es stellt einen der schwersten Gewissenskonflikte überhaupt dar, wenn bedacht wird, dass die Jäger aufgrund der geltenden Rechtslage die Katze des Klägers - wohlgemerkt auf dessen eigenem Grundstück - ebenfalls ohne Widerspruchsrecht erschießen dürfen.
Entgegen der Ansicht des Bundesverfassungsgerichts liegt somit ein Eingriff vor, der schwerwiegend ist.
cc. Rechtfertigung des Eingriffs
Das Grundrecht auf Gewissensfreiheit stellt „eine wertentscheidende Grundsatznorm (...) höchsten verfassungsrechtlichen Ranges“ dar (vgl. BVerfGE 23, 127/134).
Die Gewissensfreiheit ist nicht nur vorbehaltlos gewährleistet, sondern ist überdies ein Grundrecht, das als Teil der Glaubensfreiheit „auf die in Art. 1 Abs.1 GG garantierte Würde des Menschen bezogen“ ist, „die als oberster Wert das ganze grundrechtliche Wertsystem beherrscht“ (vgl. BVerfGE 32, 108).
Aus diesem Grund muss ein „Konflikt zwischen dem Grundrecht der Gewissensfreiheit und dem Schutz anderer verfassungsrechtlich garantierter Rechtsgüter (...) nach Maßgabe der grundgesetzlichen Wertordnung und unter Berücksichtigung der Einheit dieses grundrechtlichen Wertsystems durch Verfassungsauslegung situationsgebunden nach dem Grundsatz des schonendsten Ausgleichs gelöst werden“ (vgl. Zusammenfassung der Rspr. des BVerfG durch das BVerwG, NVwZ 1998, 854).
Diesen, in anderen Entscheidungen selbst aufgestellten Anforderungen genügen die Erwägungen des Bundesverfassungsgericht ganz sicher nicht, da sich diese nicht auf den Einzelfall beziehen, sondern pauschal lauten:
„Aus der Gewissensfreiheit kann niemand das Recht herleiten, die Rechtsordnung nur nach seinen Gewissensvorstellungen zu gestalten, und verlangen, dass seine Überzeugung zum Maßstab der Gültigkeit genereller Rechtsnormen oder ihrer Anwendung gemacht wird (BVerfGE 67, 26 <37>). Wenn die Rechtsordnung die Nutzung von Sachen auf unterschiedliche Berechtigte verteilt, hat dabei das Gewissen des Eigentümers nicht notwendig einen höheren Rang als die Grundrechtsausübung anderer Berechtigter. Art. 4 Abs. 1 GG ist nicht durch einen Gesetzesvorbehalt eingeschränkt. Einschränkungen können daher nur aus der Verfassung selbst hergeleitet werden. Die Regelungen des Bundesjagdgesetzes zu Jagdgenossenschaften und gemeinschaftlichem Jagdausübungsrecht dienen auch dem Schutz des Eigentums vor Wildschäden und der grundstücks-grenzenübergreifenden Ordnung der Eigentümer-rechte im Hinblick auf die Jagd. Sie verwirklichen zudem den Verfassungsauftrag zum Schutz der natürlichen Lebensgrundlagen. Der Gewissensfreiheit des Beschwerdeführers stehen mithin kollidierende Verfassungsgüter aus Art. 14 GG und Art. 20 a GG gegenüber. Es handelt sich dabei um die gleichen, auf verfassungsrechtliche Wertentscheidungen rückführbaren Ziele des Jagdrechts, die auch die jagdrechtliche Inhalts- und Schrankenbestimmung des Grundeigentums rechtfertigen.“
Mit solchen, wieder einmal recht apodiktisch daherkommenden Sentenzen versucht das Bundesverfassungsgericht zu begründen, warum die Zwangsmitgliedschaft in Jagdgenossenschaften ethische Tierschützer auch im Hinblick auf Art.4 GG nicht in ihren Grundrechten verletzt. Dabei löst das Gericht den Konflikt zwischen Jagdzwang und Gewissensfreiheit pauschal zugunsten des Reviersystems. Dabei wird ohne weiteres einfach unterstellt, dass die Anerkennung der Gewissensentscheidung des Beschwerdeführers zu einer Kettenreaktion führen würde:
„Müsste das Grundstück des Beschwerdeführers wegen seiner Gewissensentscheidung für den Tierschutz aus der Jagdgenossenschaft ausscheiden, wäre die vom Gesetzgeber legitimer Weise beabsichtigte, im Hinblick auf die Jagd übergreifende Ordnung der Eigentumsrechte in Frage gestellt. Denn es wäre zu berücksichtigen, dass Gleiches auch anderen Grundeigentümern eingeräumt werden müsste, die sich auf eine ernsthafte Gewissensentscheidung für den Tierschutz berufen.“
An anderer Stelle führt das höchste deutsche Gericht aus:
„Aus der Gewissensfreiheit“ könne „niemand das Recht herleiten, die Rechtsordnung nur nach seinen Gewissensvorstellungen zu gestalten, und verlangen, dass seine Überzeugung zum Maßstab der Gültigkeit genereller Rechtsnormen oder ihrer Anwendung gemacht wird“ (BVerfGE 67, 26 <37>),
Dies stellt eine falsche Rechtsauslegung dar, denn im vorliegenden Fall war nicht über einen Normenkontrollantrag auf Nichtigerklärung einer Gesetzesbestimmung zu entscheiden, sondern über eine Verfassungsbeschwerde, mit der in einem besonderen Einzelfall eine Ausnahme von der Regel begehrt wurde. Zum Scheitern verurteilt ist in diesem Zusammenhang auch der Vergleich mit der von der Kammer zitierten Entscheidung aus BVerfGE 67, 26 <37>. Dort wollte nämlich die Beschwerdeführerin eine bestimmte Verwendung öffentlicher Mittel untersagen lassen, während es im vorliegenden Fall um die Benutzung des eigenen Grundstückes durch Fremde in einer Art und Weise geht, die der eigenen ethischen Überzeugung vollends widerspricht. Beide Fälle sind daher nicht ansatzweise miteinander vergleichbar.
Aus dem absurden Vergleich des Unvergleichbaren folgert die Kammer dann Allgemeingültiges:
„Wenn die Rechtsordnung die Nutzung von Sachen auf unterschiedliche Berechtigte verteilt, hat dabei das Gewissen des Eigentümers nicht notwendig einen höheren Rang als die Grundrechtsausübung anderer Berechtigter.“
Mit Letzteren können nur die Jagdgenossenschaften gemeint sein, denen kraft Gesetzes die Ausübung des Jagdrechts übertragen ist. Dass es hierbei um Grundrechtsausübung gehen soll, ist freilich nicht ganz so selbstverständlich, handelt es sich doch um eine Rechtsausübung durch „öffentlich-rechtliche Körperschaften“, die diesen durch einfaches Recht eingeräumt wurde. Die Unterschiede in der Wertigkeit sind somit unverkennbar. Der zu suchende „schonendste Ausgleich“ zwischen Jagdzwang und Gewissensfreiheit verlangt daher eine Einzelfallabwägung und verbietet zwingend ein pauschales „Wehret den Anfängen“ zugunsten des Revierzwangs (Vgl. hierzu C. Sailer, ZRP 2005, 88 ff., 90).
„Soll auf diese Weise etwa der Schutzbereich der Gewissensfreiheit durch einfach-rechtliche Bestimmungen des Jagdrechts definiert bzw. von vornherein eingeschränkt werden, sodass dann gar kein Eingriff mehr in Betracht kommt“ (C. Sailer, „Blattschuss aus Karlsruhe“, Zeitschrift „Natur und Recht“ 3/2007, S. 186-189).
Nach diesem recht verwirrenden rechtsdogmatischen Vorspiel sucht das Bundesverfassungsgericht die verfassungsimmanente Legitimation zur Einschränkung des vorbehaltlos gewährleisteten Grundrechts aus Art. 4 Abs.1 GG und findet sie im jagdrechtlichen „Schutz des Eigentums vor Wildschäden“ und in der „grundstücksgrenzenübergreifenden Ordnung der Eigentümerrechte“ sowie in dem „Verfassungsauftrag zum Schutz der natürlichen Lebensgrundlagen. Der Gewissensfreiheit des Beschwerdeführers stehen mithin kollidierende Verfassungsgüter aus Art. 14 GG und Art. 20a GG gegenüber.“ Würde man ihn aus der Jagdgenossenschaft entlassen, wäre die „im Hinblick auf die Jagd übergreifende Ordnung der Eigentumsrechte in Frage gestellt“, denn auch andere Grundstückseigentümer könnten sich dann „auf eine ernsthafte Gewissensentscheidung für den Tierschutz berufen“. Das „käme einer partiellen Einführung des vom Beschwerdeführer favorisierten Parzellenjagdrechts gleich“ und würde die „Eigentums- und Hegeordnung“ des Jagdrechts gefährden.
Das Bundesverfassungsgericht schüttet somit das „Kind mit dem Bade aus“ nach dem Motto „topp oder hopp“; entweder es gibt ein Reviersystem, oder es gibt eben keines, was dem Parzellenjagdrecht gleich käme und die „übergreifende Ordnung der Eigentumsrechte in Frage“ stellen würde.
Nichts ist falscher als das; wir haben bereits gesehen, dass die in die Gewissensfreiheit des Klägers eingreifenden Regelungen des Bundesjagdgesetzes nicht erforderlich sind, weil wesentlich mildere Mittel zur Verfügung stehen, die ebenso geeignet sind, die gesetzgeberischen Ziele zu erreichen und nicht gleich zu einem anarchischen Parzellenjagdrecht führen würden.
Als mildere Mittel kommen in Betracht:
- Ein genereller Zwang zur Mitgliedschaft in einer Jagdgenossenschaft (= Regel) mit Befreiungsvorbehalt z.B. für ethische Tierschützer (= Ausnahme). Dieser Variante bedient sich Frankreich aufgrund des Urteils des Gerichtshofs von 1999.
- Ein unbedingter Zwang zur Mitgliedschaft in einer Jagdgenossenschaft mit Widerspruchsrecht des Jagdgenossen z.B. aus ethischen Gründen.
- Mitbestimmungsrechte des Jagdgenossen dahingehend, dass er das Ruhen der Jagd auf seinem Grundstück z.B. aus ethischen Gründen durchsetzen kann.
Im Übrigen wies auch die luxemburgische Regierung so wie das Bundesverfassungsgericht darauf hin, dass vor allem die notwendige „grundstücksgrenzenübergreifenden Ordnung der Eigentümerrechte“ die Zwangsmitgliedschaft in einer Jagdvereinigung rechtfertige. Die luxemburgische Regierung führt dazu wie folgt aus (EGMR-Urteil vom 10.07.2007, a.a.O., Rn. 32):
„Die Regierung ist der Meinung, dass es allem voran notwendig ist, den historischen Hintergrund der aktuellen Rechtsordnung zu sehen. Das erste Gesetz, welches 1885 in Kraft trat, teilt das Jagdrecht dem einzelnen Eigentümer zu und begünstigte auf diese Weise die Großgrundbesitzer zum Nachteil der kleinen Landwirte. Der Zweck des gegenwärtigen Gesetzes schützt die aktuelle Rechtsordnung, deren Ziel es ist, die Interessen aller Eigentümer in gleicher Weise zu schützen und ihnen damit eine gerechte Entschädigung als Gegenleistung für die Verpachtung des Jagdrechts zu sichern.“
Dieser Rechtsauffassung - Notwendigkeit einer „grundstücksgrenzenübergreifenden Ordnung der Eigentümerrechte“ - folgte der Gerichtshof bei seiner Entscheidung bekanntlich nicht.
Abermals sei daher folgende Frage erlaubt: Wie soll das deutsche Reviersystem vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte Bestand haben, wenn der Gerichtshof bereits in zwei Fällen entschieden hat, dass unabhängig davon, wie legitim die gesetzlichen Reglungen auch sein mögen, sie jedenfalls nicht dazu geeignet sind, einen derart schwerwiegenden Eingriff in die Gewissensfreiheit von ethischen Jagdgegnern zu rechtfertigen?
Es ist somit weder mit dem vom Bundesverfassungsgericht entwickelten Grundsatz des „schonendsten Ausgleichs“ (vgl. Zusammenfassung der Rspr. des BVerfG durch das BVerwG, NVwZ 1998, 854), noch mit der Rechtssprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte vereinbar, dem ethischen Jagdgegner eine Ausnahme zu verwehren. Dies gilt umso mehr, so lange noch nicht feststeht, dass die Zahl der Ausnahmen die Regel gefährdet.
In diesem Zusammenhang muss auch zwingend berücksichtigt werden, dass der Bundesgesetzgeber mit der Föderalismusreform gezeigt hat, dass er eine bundesweit einheitliche „grundstücksgrenzenübergreifende Ordnung der Eigentümerrechte“ nicht mehr für erforderlich hält, indem er den Ländern mit einer Grundgesetzänderung die Möglichkeit eingeräumt hat, eigene und vom Bundesjagdgesetz abweichende Regelungen zum Jagdwesen zu treffen, vgl. Art 72 Abs. 3 Nr. 1 GG (vgl. hierzu S. 40/41ff.).
Daran ändert auch ganz gewiss Art. 20a GG nichts, den das Bundesverfassungsgericht der Gewissensentscheidung des Beschwerdeführers entgegenhalten will. Das Staatsziel, „die natürlichen Lebensgrundlagen zu schützen“, bezieht sich nämlich nicht auf die einzelnen Wälder und Felder eines jagdunwilligen Grundstückseigentümers, sondern auf die Gesamtheit der Natur und des Naturhaushalts (vgl. hierzu C. Sailer, „Blattschuss aus Karlsruhe“, a.a.O.; auch Murswiek, NVwZ 1996, 222/226).
Stattdessen folgt aus Art. 20a GG, dass der Staat nicht nur die natürlichen Lebensgrundlagen, sondern auch „die Tiere schützt“. Das Bundes-verfassungsgericht meint hierzu, „dass die Verankerung des Tierschutzes im Grundgesetz nur Einfluss auf die Art und Weise der Jagdausübung haben“ könne, „nicht aber die Legitimität der mit den angegriffenen Bestimmungen des Jagdrechts verfolgten Ziele einer dem Gemeinwohl verpflichteten Jagd und Hege in Frage stellen“ könne.
Auch bei dieser Erwägung schüttet das Bundesverfassungsgericht einmal mehr das „Kind mit dem Bade aus“, denn um eine Konfrontation dieser Art geht es doch überhaupt nicht. Es geht vielmehr darum, dass Art. 20a GG „den ethisch begründeten Schutz des Tieres als je eigenes Lebewesen stärken“ will, was das Bundesverfassungsgericht auch selbst einräumt. Wenn dem so ist, stärkt dies auch die ethische Entscheidung eines Tierschützers, der auf seinem Grundstück keine Tiere töten lassen will (vgl. hierzu C. Sailer, „Blattschuss aus Karlsruhe“, a.a.O.).
Der Kläger stellt damit die Jagd nicht generell in Frage, sondern verlangt für sich eine Ausnahme; und deren Gewährung geht eben mit einem Staatsziel konform, das der Verfassungsgeber wie folgt beschreibt (siehe BT-Drs. 14/8860, 3.26).:
„Durch das Einfügen der Worte ‚und die Tiere’ in Art.20 a GG erstreckt sich der Schutzauftrag auch auf die einzelnen Tiere. Dem ethischen Tierschutz wird dadurch Verfassungsrang verliehen.“
Im Kontext der Entscheidungen des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte sowie unter Berücksichtigung der oben aufgestellten Rechtsgrundsätze kann eine rechtlich einwandfreie Verhältnismäßigkeitsprüfung nur zu dem Ergebnis gelangen, dass die Regelungen des Bundesjagdgesetzes über die Bildung von gemeinschaftlichen Jagdbezirken (§ 8 Abs. 1) und von Jagdgenossenschaften (§ 9 Abs. 1) und über die Übertragung des Jagdausübungsrechts auf die Jagdgenossenschaften (§ 8 Abs. 5) ohne Befreiungsvorbehalt den Kläger in seinem Recht aus Art. 4 Abs. 1 GG verletzt.
Auch aus diesem Grund ist der Klage stattzugeben.
d. Verletzung des Art. 3 Abs. 1 GG
Die Regelungen des Bundesjagdgesetzes über die Bildung von gemeinschaftlichen Jagdbezirken (§ 8 Abs. 1) und von Jagdgenossenschaften (§ 9 Abs. 1) und über die Übertragung des Jagdausübungsrechts auf die Jagdgenossenschaften (§ 8 Abs. 5) ohne Befreiungsvorbehalt verletzen den Kläger in seinem subjektiven Recht aus Art. 3 Abs. 1 GG.
Wir haben gesehen, dass die vom Gerichtshof für menschenrechtswidrig erklärte Rechtslage in Luxemburg so wie in Deutschland flächendeckend gilt. Wir haben gesehen, dass der Gerichtshof festgestellt hat, dass er nicht erkennen kann, „warum lediglich die kleinen Grundstücke zusammengelegt werden müssen“ (vgl. EGMR-Urteil vom 29. April 1999, a.a.O.). Wir haben ebenfalls gesehen, dass dem Gerichtshof das gesetzgeberische Ziel einer „grundstücksgrenzenübergreifenden Ordnung der Eigentümerrechte“ nicht ausreicht, um die Zwangsmitgliedschaft in einer Jagdvereinigung zu rechtfertigen. Wir haben weiterhin gesehen, dass der deutsche Jagdgenosse im Gegensatz zum Inhaber eines Eigenjagdreviers weder im Hinblick auf die Hege oder die Handhabung des Jagdausübungsrechts, noch im Bezug auf die gesetzlichen Abschussplanungen ein vernünftiges Mitwirkungsrecht hat, vgl. z.B. § 21 Abs. 2 BJagdG. Insbesondere verfügt er im Gegensatz zum Inhaber eines Eigenjagdreviers nicht über die rechtliche Möglichkeit, auf die jährliche „Strecke“ des Jagdausübungsberechtigten irgendeinen Einfluss zu nehmen.
Und dennoch verneint das Bundesverfassungsgericht die Verletzung des Gleichheitsgrundsatzes durch die Unterscheidung des Gesetzgebers zwischen kleinen Grundstücken, deren Eigentümer kraft Gesetzes Mitglied in einer Jagdgenossenschaft werden und das Jagdausübungsrecht abtreten müssen, und Eigentümern von größeren Grundstücken, die nicht Zwangsmitglied werden und das Jagdrecht selbst ausüben dürfen.
Das Bundesverfassungsgericht führt hierzu aus (vgl. Beschluss des BVerfG vom 13.12.2006, a.a.O.):
„Der Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG ist nicht verletzt. Das Bundesverwaltungsgericht und das Oberverwaltungs-gericht Rheinland-Pfalz haben in den angegriffenen Urteilen mit überzeugender Begründung einen sachlichen Grund dafür angenommen, dass Eigentümer von Grundstücken mit 75 ha oder mehr nicht Mitglied von Jagdgenossenschaften, sondern Inhaber von Eigenjagdbezirken sind. Dabei haben sie in Auseinandersetzung mit dem Urteil des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte zum französischen Jagdrecht auch dargelegt, dass - anders als in Frankreich - die Inhaber von Eigenjagdbezirken und Jagdgenossenschaften dieselben Pflichten im Hinblick auf Hege und Abschusspläne treffen und dass das Reviersystem in Deutschland flächendeckend gilt.“
Diese Rechtsauffassung ist aus all den oben genannten Gründen nicht haltbar. Ein sachlicher Grund für die Unterscheidung zwischen kleinen und großen Grundstücken existiert nicht.
Die Regelungen des Bundesjagdgesetzes über die Bildung von gemeinschaftlichen Jagdbezirken (§ 8 Abs. 1) und von Jagdgenossenschaften (§ 9 Abs. 1) und über die Übertragung des Jagdausübungsrechts auf die Jagdgenossenschaften (§ 8 Abs. 5) ohne Befreiungsvorbehalt verletzen den Kläger daher auch in seinem subjektiven Recht aus Art. 3 Abs. 1 GG.
Auch aus diesem Grund ist der Klage stattzugeben.
V. Gesamtergebnis
Zusammenfassend ist somit festzuhalten, dass die Regelungen des Bundesjagdgesetzes über die Bildung von gemeinschaftlichen Jagdbezirken (§ 8 Abs. 1) und von Jagdgenossenschaften (§ 9 Abs. 1) und über die Übertragung des Jagdausübungsrechts auf die Jagdgenossenschaften (§ 8 Abs. 5) ohne Befreiungsvorbehalt den Kläger in seinen subjektiven Rechten aus Art. 14 Abs. 1, Art. 9 Abs. 1 (bzw. Art. 2 Abs. 1), Art. 4 Abs. 1 sowie Art. 3 Abs. 1 GG verletzen. Daraus ergibt sich die Rechtswidrigkeit des angegriffenen Bescheides sowie die Verpflichtung des Beklagten, den Kläger vom Zwang der Mitgliedschaft in der Jagdgenossenschaft zu befreien.
VI. Weiterer Sach- und Rechtsvortrag, insbesondere nach entsprechendem richterlichen Hinweis, bleibt vorbehalten.
Dominik Storr
Rechtsanwalt
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